6707811-1964_08_04.jpg
Digital In Arbeit

Jugendschutz nach Ländermoral?

Werbung
Werbung
Werbung

Nach föderalistischem Prinzip sind die gesetzlichen Bestimmungen zum körperlichen und geistigen Schutz der Jugend Österreichs in verschiedenen Gesetzen des Bundes und der Länder verstreut. Sieben Bundesländer — zuletzt Wien — haben ein eigenes, neues Jugendschutzgesetz geschaffen.

Es fällt bei näherem Zusehen auf, daß alle diese neuen Schutzgesetze einstimmig beschlossen wurden, daß demnach auch jene politischen Richtungen, die in früheren Zeiten einem gewissen Ausleben des doch ihrer Meinung von Natur aus guten Menschenkindes das Wort geredet haben, nun von der Notwendigkeit gewisser Verbote überzeugt sind.

Gleichzeitig ist aber allen beschließenden Parteien bewußt, daß mit dem Gesetz allein nichts gemacht ist, die Polizei nur in krassen Ubertretungsfällen eingreifen soll, dafür aber Geist und Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes durch Jugendschutzwochen, Elternversammlungen, Flugblätter usw. in das Bewußtsein der Öffentlichkeit und das Gewissen des einzelnen gebracht werden müssen. Wieweit dies in zähem und geduldigem Bemühen gelingt, soweit wird der Jugendschutz tatsächlich wirksam.

Trotz dieser erfreulichen Gegebenheiten werden jedoch von einem Teil der Massenmedien seltsamerweise die „Jugendschützer“ (man beachte schon den abwertenden Ausdruck!) verhöhnt und der Verschrobenheit bezichtigt. „Zwangsjacke für Teenager“ lautete zum Beispiel der große Aufmacher einer Boulevardzeitung. Man geht wahrscheinlich nicht fehl, dahinter Kreise zu suchen, die von einer sauberen Einhaltung der Jugendschutzgesetze wirtschaftliche Nachteile befürchten. Diese Kreise sind ja auch von einer mimosenhaften Empfindlichkeit und mit einer gerichtlichen Klage wegen Geschäftsstörung schnell zur Hand.

Schwerer wiegt die Skepsis von-Pädagogen („Was wollen Sie einem Teenager von 15% Jahren sagen, wenn er im Espresso raucht?“) und die Verständnislosigkeit der Eltern, die ihre Kinder zur Übertretung dieser Gesetze aneifern oder ihrer Einhaltung gleichgültig gegenüberstehen.

Demgegenüber gibt es für Eltern und Jugend nur den Weg der intensiven und tiefgehenden Aufklärung, der uns durch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse (zum Beispiel in bezug auf das Rauchen) leichtgemacht wird.

Darüber hinaus muß aber die Welt der Erwachsenen selbst einiges bereinigen, was die Durchschlagskraft der Jugendschutzgesetze beeinträchtigt.

„Film“ ist ebenso wie „Jugend“ Landessache. Also setzt jedes Bundesland die Zulassung eines Filmes für die verschiedenen Altersstufen in Eigenregie fest. Wenn auch viele Bundesländer zumeist den Empfehlungen der Kommission des Unterrichtsministeriums folgen, so geht doch Wien immer seinen eigenen Weg. Damit sind Divergenzen nicht zu vermeiden. Das mag für Vorarlberg keine Bedeutung haben, weil es durch einen Berg vom übrigen Österreich getrennt ist. Niederösterreich aber hat allein am Rande Wiens 26 Kinobetriebe, die zehn bis 15 Minuten Gehzeit vom nächsten Wiener Kino entfernt sind. Man stelle sich das Hallo vor, wenn eine jugendliche Stammkundschaft in das Nachbarkino ausrückt, weil dort für sie erlaubt ist, was hier als verboten gilt. Die Autorität der Erwachsenen, besonders der „Jugendschützer“, ist dahin.

Ist diese Differenzierung durch eine Verschiedenheit der Jugend selbst in den einzelnen Bundesländern begründet? Im Zeitalter der Massenmedien, der Motorisierung und eines überwältigenden Fremdenverkehrs muß man die Frage verneinen. Tracht und Brauchtum dokumentieren nur die Eigenart der Form, nicht des Inhalts.

Die unterschiedliche Beurteilung wurzelt vielmehr in der wechselnden Ansicht verschiedener Gremien, wobei die Sozialisten strenger auf Kämpfe, Raufhändel und Grobheiten, die Katholiken auf sexuelle Freiheiten hinsehen.

Bei größter Hochachtung vor dem Föderalismus muß man doch fragen, ob die Pädagogik auch nach diesem Prinzip abgewandelt werden muß.

Wir haben bei den Schulgesetzen, aber auch beim Dienstrecht und der Besoldung der Lehrer die bundeseinheitliche Regelung durchgesetzt.

Warum nicht beim Jugendschutz? Auch Deutschland ist ein Bundesstaat, hat aber bundeseinheitliche Jugendschutzgesetze.

Selbst wir in Österreich gingen hier in einer Sache einen vorbildlichen Weg.

Man hat bei der Prädikatisierung von Filmen eine bundeseinheitliche Kommission bei der Verbindungsstelle der Bundesländer geschaffen. Es war ein freiwilliger Verzicht auf eine eigene Kommission, der allerdings jederzeit widerrufbar ist.

Bietet sich hier nicht ein Weg für den Jugendschutz und die Jugendfilmkommission an, Aufgabengebiete, deren einheitliche Handhabung von größter Wichtigkeit ist?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung