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Ohne Juristendeutsch

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Am 10. Februar hat Niederösterreichs Landesrätin Liese Prokop den Entwurf eines Jugendgesetzes der Öffentlichkeit vorgestellt. Man hört und staunt: Die beiden Begriffe Jugend und Gesetz, die einen schier unüberbrückbaren Gegensatz zu bezeichnen scheinen, sollen unter einen tragbaren Hut zu bringen sein?

Es weiß doch jeder, daß die sogenannte Jugendrevolte hauptsächlich gegen eine Uberorganisation des Lebens und damit gegen eine alles umspannende Vergesetzlichung jugendlichen Tatendranges Sturm läuft. Welchen Nutzen, welchen Sinn sollte es nun haben, gerade dieser Jugend mit gesetzlichen Bestimmungen zu kommen?

Nun, auch die revoltierende Jugend wird sich allgemeinen Gesellschaftsregeln zu unterwerfen haben, auch die Jugend bedarf des Schutzes und der Förderung durch das Gesetz. Allerdings durch ein Gesetz, das ihr den nötigen Freiraum gibt, das sich nicht in einem unübersehbaren Dschungel von Gebots- und Verbotsparagraphen erschöpft, sondern Möglichkeiten zur schöpferischen Entwicklung eröffnet und in diesem Sinn Schutz gewährt vor der Alltäglichkeit so manchen durchorganisierten Erwachsenenlebens in seiner teilweisen Fragwürdigkeit.

Und in diesem Sinn verdient das niederösterreichische Jugendparagraphenwerk einige Aufmerksamkeit, schon der Begleitumstände halber. Hat man sich

doch österreichweit zum ersten Mal in Niederösterreich darum bemüht, in einem monatelangen Prozeß öffentlicher Diskussionen in allen Landesvierteln die Ideen, Wünsche und Vorstellungen möglichst vieler Jugendlicher und mit Jugendarbeit Beschäftigter nicht nur anzuhören, sondern auch zu berücksichtigen.

So kam auch der Anstoß zu wesentlichen Teilen dieses Gesetzes nicht aus dem Kreis der beamteten oder politischen Macher,

sondern aus einer Gruppe parteipolitisch meist ungebundener Leute, die Landeshauptmann Siegfried Ludwig zusammengeschart hat.

Und dem entspricht auch der Inhalt des Gesetzes. Breiten Raum nimmt die Jugendförderung ein: „Jugendtreffs" als Orte der Begegnung ohne Konsumzwang, laut Umfragen ein großer Wunsch von Jugendlichen, werden aus Landesmitteln gefördert, gleichgültig, ob die Werber organisiert oder als bloße Aktivgruppe auftreten. Wesentlich ist nur, daß sie selber Hand anlegen.

Wechselseitiger Ideenaustausch, gemeinsame Veranstaltungen und Aktivitäten verschiedener Jugendgruppen sowie die entsprechende Beratung und Hilfestellung sollen von einem im Bezirk ehrenamtlich tätigen Jugendreferenten ebenso angeregt wie geboten werden. Das soll auch

die Frau oder der Mann sein, um in Konfliktfällen, die sich zwischen Jugend und Öffentlichkeit durchaus ergeben können, vermittelnd einzugreifen.

Von weltanschaulichem Interesse dürfte der Versuch sein, die Verantwortung der Eltern stärker zu betonen. Ihnen soll bei amtsbekannten Verstößen gegen die von unzeitgemäßem Beiwerk gereinigten Jugendschutzbestimmungen die Sorge um ihren Nachwuchs recht deutlich nahegelegt werden. Ein für ein Gesetz recht seltener Versuch von Pädagogik.

Pädagogisch sinnvoller als Geldstrafen ist weiters die Bevorzugung sozialer Leistungen, etwa der Krankenhilfe, als „Sühne" vor dem Gesetz. Wie überhaupt eine taxative Aufzählung von Ge- und Verboten möglichst vermieden und in den Dienst einer die Menschenwürde achtenden Entwicklung des Jugendlichen gestellt wird.

Bleibt noch immer die Frage, ob ein Jugendgesetz von den Jugendlichen auch angenommen werden wird.

Allein der Umstand, daß es juristisch völlig unkonventionell, nämlich verständlich und unkompliziert, formuliert ist, wird dafür nicht ausreichen. Niederösterreich wird wohl auch Mittel und Wege suchen und finden müssen, diejenigen, die es angeht, auch ausreichend zu informieren.

Vor allem aber: Der Geist des Gesetzes wird sich im Alltag zu bewähren haben. Papier ist geduldig, die Erwachsenenwelt ist es meist nicht.

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