Generation der gepackten Koffer

Werbung
Werbung
Werbung

Bis zu 70 Prozent der jungen gut ausgebildeten Griechen wollen ihr Land verlassen. Versuche, das zu verhindern, scheitern, schreibt die FAZ.

Die Athener Tageszeitung "Kathimerini“, sonst nicht zur Aufgeregtheit neigend, schlug vor wenigen Tagen Alarm: Eine panhellenische Welle von Auswanderern stehe im Begriff, die Heimat zu verlassen, so das Blatt. "Sie besteht vor allem aus Auslandsstudenten, die sich entschieden haben, nicht zurückzukehren - sowie aus Fachkräften aller Branchen, die wenige oder überhaupt keine Perspektiven für sich sehen in Griechenland.“ Was einst ein Rinnsal war, sei zu einer Massenbewegung geworden. Tatsächlich muss Griechenland ein halbes Jahrhundert nach dem Beginn der Gastarbeiterbewegung, als vornehmlich ungelernte Kräfte aus der Provinz nach Deutschland und in andere nordwesteuropäische Staaten gingen, womöglich einen Eliten-Exodus verkraften.

Vor allem junge, gut ausgebildete Fachkräfte, die über Fremdsprachenkenntnisse verfügen und auch anderswo gefragt sind, kehren ihrem Land den Rücken. Bereits im Sommer vergangenen Jahres legte eine Umfrage des als zuverlässig geltenden Meinungsforschungsinstituts "Kapa Research“ dar, wie verbreitet der Abwanderungswunsch unter Akademikern inzwischen ist. Etwa 70 Prozent der mehr als 5000 Befragten im Alter von Anfang zwanzig bis Mitte dreißig gaben an, Griechenland verlassen zu wollen. Gut 40 Prozent hatten sogar schon mit den Vorbereitungen begonnen und ihre Bewerbungsschreiben verschickt. Aus der sogenannten "700-Euro-Generation“ ist die "Generation der gepackten Koffer“ geworden.

Versuche des Gegensteuerns

Die Regierung versucht nun unter anderem durch Arbeitsmarktreformen die Absetzbewegung aufzuhalten. Eine Reform des Arbeitsrechts, von der linken Opposition wegen der darin enthaltenen Lockerung des Kündigungsschutzes als unsozial gerügt, soll alte Hürden zur Einstellung von Jugendlichen beseitigen. Die Probezeit bei Neueinstellungen soll demnach von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert werden. Wirtschaftsfachleute hatten die starren Kündigungsregeln, die eine Einstellungsverhinderungswirkung hatten, schon seit Jahren bemängelt.

Wegziehen als einzige Möglichkeit

Doch diese Änderungen können jene, die bereits den Entschluss zum Auswandern gefasst haben, nicht mehr aufhalten. Die griechischen Medien berichten inzwischen regelmäßig über auswanderungswillige Fachkräfte. Ein Ingenieursverband teilte mit, dass viele Arbeitssuchende unter dem Druck der Umstände sogar Bereitschaft zeigten, nach Dubai oder in andere reiche arabische Städte zu gehen. Bis vor kurzem hätten die meisten einen solchen Schritt gescheut, doch das habe sich geändert: "Es ist inzwischen offensichtlich, dass die anstehende Auswanderungswelle eine große Zahl von Ingenieuren einschließen wird. Wegziehen ist die einzige Möglichkeit“, wurde unlängst ein Funktionär des Ingenieursverbandes zitiert.

Die nationale Vereinigung der griechischen Krankenschwestern meldet eine ähnliche Entwicklung. Bei den jungen Ärzten hat sie offenbar schon eingesetzt: Sie fliehen vor schlechten Arbeitsbedingungen, einige wohl auch vor der ungekannten Steuerlast.

Die Besteuerung hat nach Aussagen von Fachleuten, die seit Jahren Reformen fordern, allerdings tatsächlich ein bedenkliches Ausmaß erreicht. So teilte Griechenlands Notenbankchef Provopoulos dieser Tage mit, die bisherige Sanierung der Staatsfinanzen basiere auf zusätzlichen Steuerbelastungen, doch nun gebe es keinen Raum mehr für eine weitere Erhöhung der Steuern.

* Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 28. Juni

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung