Rotstift statt Handschrift

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Die Bundesregierung hat ein fälliges Paket beschlossen, um den Staatshaushalt wieder in das Gleichgewicht zu bringen. Trotz der guten Lage Österreichs ist es nötig, Interessenpolitik aufzubrechen, will der Staat die Jugend nicht verlieren.

Was dieser Tage als Abschluss der Klausur der Bundesregierung und damit als Ergebnis ihrer Budgetberatungen dargestellt wurde, ist in Wahrheit dessen Gegenteil: Es ist nicht das Ende, sondern der Beginn überfälliger Gespräche; es ist nicht die Lösung der tiefer liegenden Probleme, sondern bestenfalls deren Erkennen; es sind nicht grundsätzliche Entscheidungen getroffen worden, sondern es wurde nur deutlich, welche davon noch nötig sind. Kurzum: Die Regierung hat an einigen Zahlenkolonnen den Rotstift angesetzt, aber keinen Text geliefert, der ihre Handschrift erkennen ließe.

Das banalste und daher aktuell gerne genutzte Argument zur Begründung der Etatkürzungen in allen Bereichen lautet daher, die vorgesehenen Streichungen würden alle Gruppen treffen und zwar ziemlich gleichmäßig. Das ist genau das, wofür man eigentlich keine Regierung bräuchte, zugleich aber jener Mechanismus, mit dem sich Regierungen an der Macht zu halten pflegen: divide et impera, teile und herrsche.

Die Kürzungen bei den Familien sind falsch

Was das hier und heute heißt? Werktätige und Bevölkerung sind in zahlreiche Interessengruppen, auch Stände oder Klientel genannt, aufgesplittert. Sie haben keinen gemeinsamen Nenner mehr und können sich daher auch nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Jede Gruppe lässt sich dann mit dem Verweis, die jeweils andere sei # entgegen anderslautenden Behauptungen # keineswegs besser dran, abspeisen. Das ist die tiefer liegende Struktur einer zudem durch Pluralismus und Digitalisierung fragmentierten und segmentierten Gesellschaft, der es weiters an breitflächigen qualitativen Plattformen zur Verständigung über sich selbst krass mangelt. Die Staatskasse zu kontrollieren fällt allein ja deswegen schon schwer, weil kaum einer in der Lage ist, alleine auszurechnen, was er dorthin abliefert. Das macht Regieren etwas einfacher, aber natürlich nicht besser.

Die Kürzungen bei den Familienleistungen sind falsch, selbst wenn einiges weniges richtigerweise korrigiert wurde. Die Minderungen im Hochschuletat bis 2013 sind ein Fehler, der mit den nun gewährten zusätzlichen Millionen nicht überdeckt, geschweige denn behoben werden kann.

An die Jugend und an die Familien sendet der Staat, namentlich diese Regierung, Signale der Zurücksetzung und Verwirrung aus. Egal, ob es um Schulformen, Zulassung zur Universität oder die Wehrpflicht geht: Es ist alles eine Resultante aus Lobbyismus, Taktik und Sparkurs, aber kaum etwas das Ergebnis einer Beratung über Wohl und Wehe von Familie und Jugend.

Die nächsten Tage werden ja den Unterschied deutlich machen: Staatsnahe Stände wie Beamte und Pensionisten werden sich eher als Familien und Jugendliche politisch durchzusetzen wissen.

Gruppen- und Generationenkonflikt

Allein 2011 sind 1,6 Milliarden Euro einzusparen, werden 1,2 Milliarden durch höhere Steuern eingenommen. Das lässt erahnen, wie dringend und wie hoch der Sanierungsbedarf im Haushalt inzwischen ist.

Diesen Umstand haben jedoch nicht jene zu verantworten, die derzeit eine Schulbank drücken, sondern jene, die jetzt auf Vertrauensschutz pochen. Sie meinen damit in Wahrheit das Recht, früher in Pension gehen zu dürfen, als es jenen gestattet sein wird, die ihre Pensionen zu bezahlen haben.

Jugendliche sind in Aufruhr, weil sie in ein Pensionssystem zahlen, das ihnen so nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Der zutreffende Hinweis, sie würden immerhin Häuser anstatt Ruinen erben, verfängt hier kaum.

Unter der Jugend beginnen sich Sarkasmus und Zynismus breit zu machen, zudem schwelende Gruppenkonkurrenz, etwa zwischen In- und Ausländern. Das ist unter anderem Folge einer Schulden- und einer Klientelpolitik, die es aufzubrechen gälte. Das würde eine Transparenz und eine Bereitschaft zu Reformen erfordern, die so lange nicht zu erkennen sind, als die Regierung mit dem Rotstift Zahlen kürzt statt in ihrer Handschrift Zukunft zu skizzieren.

* claus.reitan@furche.at

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