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Warum die FDP bei der Bundestagswahl abgestraft wurde oder: wie sich eine Regierungspartei selbst demontiert. Eine Analyse.

Es ist ein liberales Prinzip: Jeder Markt ist gerecht, auch der politische. Das erlebten die Freien Demokraten (FDP) vergangenen Sonntag bei der deutschen Bundestagswahl. Es ist das erste Mal, dass die FDP nicht im Bundestag vertreten sein wird. Sie schaffte die Fünf-Prozent-Hürde nicht. "Das war der bitterste Abend für alle Liberalen in Deutschland“, sagte der nun Ex-Parteichef Philipp Rösler am Montag, als er seinen Rücktritt bekannt gab. Er weiß nur zu gut, dass die FDP die Niederlage verdient hat. Vorbei ist der Traum einer weiteren vierjährigen Regierung mit der CDU unter Kanzlerin Angela Merkel. 2009 errang die FDP mit 14,6 Prozent einen historischen Wahlsieg, diesmal ihr historisch schlechtestes Ergebnis: 4,8 Prozent.

FDP verlor die Wähler an die CDU

Der 22. September 2013 wird aus vielen Gründen in die Geschichtsbücher eingehen. Mit mehr als 40 Prozent verfehlte die CDU unter Angela Merkel knapp die Absolute Mehrheit. So ein gutes Ergebnis gelang zuletzt 1998. Die CDU hat im Vergleich zu 2009 fast zehn Prozentpunkte hinzugewonnen und ist mit weitem Abstand stärkste Partei. Mit den Worten der spanischen Tageszeitung El País: Merkel ist die einzige Überlebende der Krise - andere Staatschefs wie Nicolas Sarkozy (Frankreich), Silvio Berlusconi, Mario Monti (beide Italien) und José Luis Rodríguez Zapatero (Spanien) wurden in den vergangenen Jahren abgewählt. Merkel hält sich und sucht bereits Koalitionspartner. Um die FDP trauert Merkel nicht. Mehr noch, sie nahm ihnen die Wähler: Die FDP verlor knapp 40 Prozent ihrer Wähler laut ARD-Wahlanalyse an die CDU.

Die FPD war seit 1949 immer im Bundestag vertreten. 45 Jahre lang beteiligte sie sich an unterschiedlichen Kabinetten. Jetzt ist sie nur noch außerparlamentarische Opposition (APO). Der Vorsitzende der Sozialdemokraten Sigmar Gabriel sagte bereits im Vorfeld der Bundestagswahl, dass es gut wäre wenn die FDP aus dem Bundestag fliegen würde. Der deutsche Parlamentarismus sei "ohne diesen Lobbyismus der FDP“ besser aufgestellt. Ist die liberale Idee in Deutschland Geschichte, die einzige politische Kraft, wie es Fraktionschef Rainer Brüderle in besseren Zeiten betonte, die der ewigen Versuchung des Politikers widerstehen, gesellschaftliche Probleme nur noch mit Hilfe des Staates zu lösen? Der Liberalismus ist ein Bekenntnis zur Chancengleichheit und hat in Europa eine große Tradition. Die Kernideen sind und waren: Vertragsfreiheit statt Zwang, die Marktwirtschaft als moralischer Disziplinierungsmechanismus, die Idee einer sozialen Ordnung durch moral- und regelgebundene Freiheit, die jedem Menschen das Recht auf eigene Lebensplanung ermöglicht.

In vier Jahren nichts erreicht

Das steht auch im FDP-Grundsatzprogramm: "Die FDP steht für Toleranz und Weltoffenheit, für eine Ordnung der sozialen Marktwirtschaft und für den freiheitlichen Rechtsstaat.“

Der Niedergang der Liberalen hat in erster Linie inhaltliche Gründe. Die vier Jahre in der Regierung wurden nur mäßig genutzt. Das sehen auch ihre Wähler so: Eine große Mehrheit bewertete laut deutscher Tagesschau die Regierungsarbeit negativ. Sie hätten von ihren Versprechen fast nichts umgesetzt: Die Liberalen haben Steuersenkungen versprochen, haben aber, außer ans Hotelgewerbe, keine geliefert. So etwas nimmt man unter Geschäftsleuten krumm. Auch bei dem liberalen Über-Thema Freiheit haben sie versagt. Als bekannt wurde, dass die deutschen Bürger durch den US-amerikanischen Geheimdienst NSA ausspioniert werden, war die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hilflos wie alle anderen.

Diesen Inhalten wird die FDP nicht mehr gerecht. Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der deutschen Wochenzeitung Die Zeit, meinte in einer Fernseh-Diskussionsrunde, dass die FDP das klare freiheitliche Profil längst verloren hätte. Wirtschaftsliberale könnten heute genauso gut bei der "Alternative für Deutschland“ (AfD) eine Heimat finden. Die AfD ist ein Zusammenschluss aus Konservativen und Wirtschaftsliberalen. Sie sind als "Anti-Euro-Partei“ bekannt, weil sie die Auflösung der Euro-Zone fordern. Die Partei entstand vor einem Jahr und verpasste mit 4,7 Prozent nur knapp den Einzug in den Bundestag.

Und jene Liberale, denen Bürgerrechte wichtig sind, geben ihre Stimme lieber den Grünen. Und wem die Freiheit im Netz eine Herzensangelegenheit ist, der dürfte bei den Piraten besser aufgehoben sein.

Die liberale Marktlücke

Dabei könnte die FDP zu den vier mehr oder weniger sozialdemokratischen Parteien als liberale Kraft ein wichtiges Korrektiv sein. Zeitgemäßer Liberalismus wäre, wie es der Journalist und Schriftsteller Christian Rickens auf Spiegel Online schreibt: "ein Kampf gegen die marktfeindlichen Lobbyinteressen der Konzerne und ebenso der Hartz-IV-Bürokratie, die den Bürger zum Fürsorgeobjekt degradiert.“

Die FDP befindet sich ein einer außerparlamentarischen Denkpause, in der sie hoffen kann, dass keine andere Partei die liberale Marktlücke schließt. Bei der FDP will der Vize Christian Lindner die Partei neu zusammenflicken. Er ist Fraktionschef im Landtag von Nordrhein-Westfalen und gilt als letzte Hoffnung. Sein Ziel für 2017: Wiedereinzug der FDP in den Bundestag. Doch davor sollte sie versuchen, die Europawahl im Mai 2014 neu sortiert zu bestehen.

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