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El-Fatah ist pleite

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Jordanien treibt, nach übereinstimmender Ansicht diplomatischer Beobachter, unaufhaltsam in eine neue Krise. König Hussein ernannte seinen Onkel Emir Scherif Said Bin Schaker, den Ende Juni auf palästinensischen Druck entlassenen kompromißlos guerillafeindlichen Panzergeneral, jetzt zum stellvertretenden Generalstabschef. Emir Scherif Nasser Bin Dschamil wartet in Großbritannien, General Abdel Rassak El-Keüani in Italien auf die Heimkehr. Beide Militärs, der ehemalige Armee- und der frühere Geheimdienstchef und Innenminister, hatten sich nach den letzten Wirren einer Forderung der Terroristen gebeugt und waren emigriert. Der Monarch schob einige einflußreiche Kommandeure, die mit den Guerilleros sympathisierten, inzwischen auf ungefährliche Posten ab. Die Streitkräfte konzentrieren starke Artillerie- und Infanteriekontingente sowie Sondereinheiten, die für den Guerillakrieg ausgebildet sind, rings um Amman.

Ausgelöst wurden diese Maßnahmen durch die Zusammenziehung nahezu aller waffenfähigen Partisanen in ihren strategisch gutplacierten Widerstandsnestern in der Hauptstadt und den Flüchtlingslagern in deren Nähe. Beide Seiten bereiten Sich offensichtlich auf eine diesmal möglicherweise entscheidende und letzte Kraftprobe vor. Die Lage ähnelt sehr derjenigen vor den Kämpfen im Juni.

In Beirut registriert man ein ansteigendes Prestige des Königs und glaubt, er habe jetzt wieder größere Aussichten auf einen Sieg über die Terroristen. Doch der Umstand, daß die übervölkerte Hauptstadt nach wie vor in der Hand der zu allem entschlossenen Palästinenser ist, welche die unbeteiligte Zivilbevölkerung als Geisel benutzen können, verbindet jedes Vorgehen gegen die Terroristen mit der Gefahr eines furchtbaren Blutbades. Die bedeutenderen Organisationen rechnen allerdings mit einer Niederlage. Sie verlagern gegenwärtig Waffenbestände, Unterkünfte und Aushildungsstätten an geheime Orte.

Veranlaßt werden sie hierzu weniger durch die Gefahr einer erneuten bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzung, sondern durch das drohende völlige Versiegen der Geld- und Waffenlieferungen. Saudi-Arabien erklärte völlige Zahlungseinstellung. Kuweit begründet die schleppende Uberweisung bereits zugesagter Beträge mit angeblich durch die Pfundabwertung verursachten Devisenschwierigkeiten und verhindert sogar den Transfer der durch die formell weiterbestehende „Guerillasteuer“ aufgebrachten Summen. Libyenmacht weitere Zahlungen abhängig von einer vorherigen inneren Einigung unter den 36 Terrorgruppen. Aus Algerien und dem Irak kam ohnehin nie Bargeld. 15 kleinere Organisationen sind pleite, der „El-Fatah“ und der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) droht die Zahlungsunfähigkeit. Die Sowjetunion verweigert, einer Mitteilung ihrer Botschaft an König Hussein zufolge, weitere Waffenlieferungen. Aus Syrien kommt kein Nachschub, und die in Jordanien stationierten 15.000 irakischen Soldaten enthalten sich seit der Rückkehr einer Bagdader * Regierungsdelegation aus Moskau jeglicher Kooperation mit den Guerrüleros. Algerien ist zu weit entfernt für einen wirkungsvollen Waffenschub. Rotchinesische oder albanische Hilfe, über die Guerillasonderbptschafter gegenwärtig in Peking und Tirana verhandeln, scheitert an den dortigen beschränkten Möglichkeiten ebenso wie an einem sicher nicht ausbleibenden Einfuhrverbot in den Basisländern des palästinensischen Widerstandes. Die Freischärler stehen folglich, nach Angaben arabischer Geheimdienstexperten, vor nahezu leeren Waffenarsenalen.

Besonders geschadet hat den Terroristen die Schließung ihres in Ägypten stationierten Rundfunksenders „Es-Saud el-Assifa“ („Die Stimme des Sturmes“). Seitdem die häufig maßlos übertriebenen oder sogar frei erfundenen Siegesmeldungen und Hetzparolen nicht mehr über die Ätherwellen verbreitet werden können, sank das Prestige der Guerilleros bei den Flüchtlingsmassen sehr rasch. Eine demoskopische Umfrage ergab, daß vier Fünftel der Palästinenser eine friedliche Regelung des Konfliktes mit Israel befürworten und nur ein Zehntel sie kompromißlos ablehnt.

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