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Kein Aufschub der Pensionsreform

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Noch als Finanzminister hatte Viktor Klima kürzlich vor -L 1 Journalisten erklärt, daß aus seiner Sicht eine weitere Etappe der Pensionsreform in den kommenden beiden Jahren „nicht notwendig" sei. Die bereits gesetzten Sparmaßnahmen würden ja nun voll wirken. Dieser Standpunkt mag aus rein bud-getärer und heutiger Sicht berechtigt sein. Längerfristig gesehen ist er jedoch sozial- wie finanzpolitisch verhängnisvoll. Die Umgestaltung des Systems duldet keinen weiteren Aufschub.

Verständlicherweise steht nun die Erreichung des Sparzieles für die gemeinsame europäische Währung im Vordergrund. Das ist schwierig genug und erscheint weitgehend gelungen. Klima müßte sich aber doch vor Augen führen, daß die akut notwendig gewordene Sanierung des Staatshaushaltes nicht wie ein plötzliches Unglück über uns hereinbrach, sondern als Folge jahrelanger Versäumnisse. Wir haben nun die Bechnung dafür zu zahlen, daß die Politik von einem Wahltermin zum anderen lavierte. Was mit dem „Sparpaket" gelang, ist nicht mehr als eine Atempause. Die Finanzierungsprobleme der Pensionen sind strukturell begründet und drohen sich noch drastisch zu verschlimmern.

Vorausschauende Finanzpolitik müßte also darauf drängen, daß es sehr rasch zu langfristig wirksamen Umstellungen kommt. Jedes Jahr erwerben die Berufstätigen neue Anwartschaften nach altem Becht dazu, die man nicht einfach wird wegkürzen können, will man nicht schwerste Erschütterungen heraufbeschwören. Jedes Jahr gehen Zehntausende in Pension und erhalten mit Bescheiden, welche das Bundeswappen ziert, Ansprüche zuerkannt, die über ihre Lebensdauer hin nicht eingelöst werden können. Der Wechsel zu einem neuen Pensionsrecht muß daher möglichst rasch einsetzen, um den Staat nicht gegenüber seinen Bürgern in eine wirklich unmögliche Situation zu versetzen. Nicht zuletzt der Verfassungsgerichtshof hat mehrmals betont, daß die Lebensplanung des Bürgers nicht über den Haufen geworfen werden darf.

Dabei geht es aber nicht nur ums Geld des Staates. Wir sind auf dem schlechtesten Wege, das Vertrauen der Bevölkerung in den Sozialstaat zu zerstören, wenn man die Menschen weiterhin im unklaren darüber läßtt welche Umstellungen wirklich geplant sind. Was soll an die Stelle jener Konzepte treten, die man 1955 mit dem ASVG festschrieb und die vor allem durch Schaffung der vorzeitigen Alterspensionen ausgebaut wurden? Damals wirkte ein starkes Versorgungsdenken. Erklärtes Ziel war, das Pensionsrecht der Arbeitnehmer in der Wirtschaft an das der Beamten heranzuführen. Auch dieses steht nun in Frage, weil die Finanzierung scheitert.

Wohin geht also die Beise? Sicher ist, daß das Leistungsvolumen reduziert werden muß. Eine Möglichkeit wäre, daß man künftig eine strengere Bindung an gezahlte Beiträge vornimmt, „geschenkte" Anwartschaften — wie etwa für Zeiten der Arbeitslosigkeit - reduziert, aber für Leistungswillige auch hohe Pensionen ermöglicht. Der zweite Weg wäre eine allgemeine, eher lineare Bedu-zierung des Leistungsvolumens. Das kann durch einen erschwerten (hinausgeschobenen) Eintritt in den Buhestand, niedrigere Bemessungen oder eine gebremste Anpassung laufender Leistungen geschehen. Auf allen drei Gebieten hat man erste Schritte gesetzt. Wird man also weiter reduzieren, nivellieren? Oder gar nur mehr eine allgemeine Grundversorgung bieten, für deren Ergänzung jeder selber sorgen muß, wenn er den Lebensstandard im Alter einigermaßen halten will? Damit wäre das Prinzip „Versicherung" eigentlich beseitigt und bezahlte Prämien würden obsolet. Viele kaufen heute Studienzeiten schon mit dem unguten Gefühl ein, daß sie eigentlich ä fonds perdu zahlen ...

Die aus SPÖ und ÖVP gebildete Begierung sieht ihre Bechtfertigung in einer sachlich orientierten Reformpolitik auf breiter Ebene des Konsenses. Es gibt in diesem Sinn kein wichtigeres Vorhaben, als ein System der Altersvorsorge auf die Beine zu stellen, das auch im kommenden Jahrtausend tragfähig ist.

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