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So einfach wird heute ein Staat abgeschafft
In Südosteuropa wird auf Druck der USA ein Staat abgeschafft. Die Übereinkunft zwischen Zagreb und Sarajewo kann man nicht anders interpretieren.
In Südosteuropa wird auf Druck der USA ein Staat abgeschafft. Die Übereinkunft zwischen Zagreb und Sarajewo kann man nicht anders interpretieren.
Jetzt kommt es doch zur ungeliebten Teilung Bosnien-Herzegowinas. Es ist zwar keine Drei-, aber doch eine Zweiteilung. Ist der Frieden diesen Preis wert? Eigentlich schon, verhindert doch jeder tragfähige Kompromiß weitere Tausende Tote. Im Hinterkopf oder dort, wo das Gewissen sitzt, meldet sich jedoch eine unangenehme Stimme: hätte der jetzt von den Westmächten auf Sarajewo und Zagreb ausgeübte Druck nicht schon vor zwei Jahren in Richtung Belgrad den schlimmsten Fall, der auch eingetreten ist, die Eskalation des Krieges auf dem Balkan, verhindern können?
Die entscheidende Frage lautet anders formuliert: Wer hat den Krieg gewollt, wer hat sich dabei die besten Chancen ausgerechnet, wer hat durch Stillschweigen den Aggressor ermutigt, wer ist der Sieger?
Der kommunistische Block in Belgrad – an der Spitze Slobodan Miošević – wollte die Einheit Tito-Jugoslawiens um jeden Preis erhalten, Bisher hat den Preis für die von den Westmächten zunächst gewollte und unterstützte Einheit aber nicht er und Serbien bezahlt. Bitter drangekommen sind alle anderen: zuerst die Slowenen, dann die Kroaten, schließlich die Bosniaken; gar nicht geredet wird jetzt mehr über die Minderheiten in der Wojwodina oder die Kosovo-Albaner. Mit Schweigen glaubt man Probleme ungeschehen zu machen.
Worin besteht die in Wien erzielte Einigung zwischen Kroaten und Bosniaken? Grundsätzlich ist man über eine Föderation der kroatischen und moslemischen Gebiete in Bosnien-Herzegowina, die in sieben bis neun Kantone mit großer Selbständigkeit aufgeteilt werden sollen (der Vance/Owen-Plan hat hier Pate gestanden) übereingekommen. Diese Föderation mit einem starken Präsidenten, der abwechselnd von Kroaten und Moslems gestellt werden soll, und mit einem Zweikammernparlament soll sich zu einer Konföderation mit Kroatien zusammenschließen; wobei diese Konföderation eine gemeinsame Zoll- und Währungspolitik sowie eine Art gemeinsame Verteidigung auf Vertragsbasis vorsieht.
Strittig ist „nur“ mehr, wie der ÜS-Sondergesandte Charles Redman am vergangenen Sonntag in Wien erklärte, welches Gebiet denn eigentlich die Föderation umfassen soll. Und dabei ist nicht nur eine völlig offene Frage, wie die kantonale Abgrenzung zwischen den kroatischen und moslemischen Gebieten ausschauen wird, sondern vor allem, wie man Maglaj, Bihać und andere Städte aus der Umklammerung durch Bosniens Serben lösen könnte.
Die Serben kontrollieren zur Zeit 70 Prozent des völkerrechtlich anerkannten Staates Bosnien-Herzegowina. Der kroatische Vize-Außenminister Ivo Sanader forderte für die neue Föderation eine Größe, die bis zu 54 Prozent des bisherigen Staatsgebietes umfassen sollte. Der Vorsitzende des selbsternannten Parlamentes der „serbischen Republik in Bosnien“, Momcilo Krajisnik, will dem neuen Staat höchsten 45 Prozent zugestehen, was bedeuten würde, daß die Serben etwa 15 Prozent ihres jetzt gehaltenen Territoriums abtreten müßten.
Die Amerikaner haben auf dem Balkan jetzt plötzlich insofern ein Interesse, als Rußland begonnen hat, kräftig mitzumischen. Trotz der Einigung zwischen Kroaten und Moslems in Bosnien, die sich politisch erst bewähren muß, sind noch weitere Fragen um Rückkehr der Vertriebenen, desgleichen um die besetzten Gebiete in Kroatien völlig offen. Kann Kroatien Ostslawonien verschmerzen, desgleichen die Krajina? (Bei Gospić im besetzten Kroatien sind jetzt erneut Kämpfe ausgebrochen). Werden neue Grenzen nicht noch größere Verwirrung stiften?
Argumentativ arbeitet der Westen einmal mehr den Serben in die Hände: diese wollten ja von Anfang an „nur ein Volk unter einem Dach“ sein. Die ursprünglichen Kantonalpläne des Westens, die jetzt eine veränderte Neuauflage erfahren, stützten die damalige serbische Forderung. Die serbischen Aggressoren können jetzt dem Westen vorhalten, warum er nicht gleich viel massiver auf Teilung gedrängt habe; nichts anderes als diesen „ethnisch sauberen Frieden“ habe man von Anfang an gewollt. Das Ende Bosnien-Herzegowinas steht jedenfalls bevor.
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