China - © Foto: APA / AFP / Josh Edelson

Wettkampf der Systeme: Silizium statt Stahl

19451960198020002020

Die Proteste in China werfen ein Schlaglicht auf den Systemkonflikt mit den USA. Die Rivalität beider Länder könnte durch Rechenpower entschieden werden, schreibt der Wirtschaftshistoriker Chris Miller in seinem aktuellen Buch „Chip War“.

19451960198020002020

Die Proteste in China werfen ein Schlaglicht auf den Systemkonflikt mit den USA. Die Rivalität beider Länder könnte durch Rechenpower entschieden werden, schreibt der Wirtschaftshistoriker Chris Miller in seinem aktuellen Buch „Chip War“.

Werbung
Werbung
Werbung

Es sind Bilder, die man seit dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens 1989 aus China nicht mehr gesehen hat: Menschen gehen auf die Straße und protestieren gegen das Regime. Manche fordern sogar den Rücktritt des allmächtigen Staatschefs Xi Jinping. Die Bürger haben die Nase voll von harten Ausgangsbeschränkungen, derentwegen sie ihre Häuser nicht mehr verlassen dürfen oder auf Fabrikgeländen kaserniert werden. Das halbe Land befindet sich im Lockdown, die Wirtschaft lahmt, jeder fünfte Jugendliche ist arbeitslos. Doch Staatschef Xi Jinping, ein beinharter Ideologe, glaubt weiter an die Überlegenheit seines Systems gegenüber den liberalen Demokratien des Westens.

Zunächst sah es in der Coronakrise so aus, als könne eine Autokratie eine Pandemie effektiver eindämmen. Ein autoritäres Regime kann einfach Schulen und Fabriken schließen, ohne Grundrechte in zähen Parlamentsdebatten abwägen zu müssen. Doch je mehr der Erreger endemisch wird, desto erratischer wird Chinas Null-Covid-Politik. Und mit jedem Tag, mit dem die Menschen länger im Lockdown sitzen, wächst der Druck auf das Regime.

Kontrollwahn ohne Grenzen

Die staatliche Zensur, die Great Firewall, blockiert soziale Medien wie Facebook oder Whatsapp. Chinesische Tech-Firmen beschäftigen eine ganze Armee von Aufpassern, die das Netz systematisch nach sensiblen Inhalten scannen. Wörter wie Tibet oder Taiwan fliegen sofort raus, auch vermeintlich harmlose Bilder wie ein leerer Stuhl – eine Anspielung an den Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, der das Land nicht verlassen durfte – werden unverzüglich gelöscht. Nichts soll von außen ins Land dringen.

Der Kontrollwahn geht inzwischen sogar so weit, dass die Internetgiganten Alibaba, Tencent und Bytedance, die Mutterfirma der populären Video-App Tiktok, ihre Algorithmen, also ihr größtes Betriebsgeheimnis, gegenüber den Behörden offenlegen mussten. Peking macht selbst für den Empfehlungsalgorithmus Vorgaben – und beeinflusst möglicherweise auch das, was eine Milliarde Tiktok-Nutzer auf der Welt auf ihren Bildschirmen sehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung