Werbung
Werbung
Werbung

In den vergangenen Wochen hat sich in Wissenschaftskreisen eine kuriose Auseinandersetzung darüber abgespielt, wie weit denn der Iran schon mit der Entwicklung seiner Atombombe sei. In paketlangen Dossiers vertraten da die einen die Meinung, es sei bereits in zwei Monaten soweit, während andere auf hunderten Seiten zu beweisen suchten, dass das Regime noch zwölf Monate brauche.

Jenseits der Elfenbeintürme, in denen Zentrifugenmodelle und Konversionszeiten diskutiert und über Uranmengen gefachsimpelt wird steht eines fest: Spätestens Ende des kommenden Jahres wird die Welt um einen atomwaffenfähigen Staat vermehrt sein. Um einen Staat, der sich in der kriegs-anfälligsten Region der Welt befindet. Um einen Staat zudem, dessen Führung sich keinen Deut um die sonst übliche risikoscheue politische Ratio schert, sondern den Märtyrertod als optimales Lebensziel auslobt. Das verheißt nichts Gutes.

Israels verständliche Ängste

Zunächst ist davon Israel betroffen, das schon jetzt von beinahe allen Seiten von den Schergen des Regimes in Teheran umzingelt ist. Tausende im Iran gefertigte Raketen sollen auf dem von der Hisbollah kontrollierten Gebiet im Südlibanon bereitstehen. Sie würden wohl augenblicklich zum Einsatz kommen, sollte Israel die iranischen Atomanlagen angreifen.

Allein schon aufgrund dieser unmittelbaren Bedrohung scheint ein Militärschlag Israels ausgeschlossen. Gäbe es dafür die Garantie, dass das Regime in Teheran selbst auf einen Angriff verzichtet, gut. Aber diese Garantie gibt es nicht. Schlimmer noch: Zu der Zahl der "Mad Dogs“ von Teheran muss man noch ein paar Hundertschaften von Terroristen zuzählen, mit denen der Iran in Syrien, dem Libanon und im Gazastreifen, die besten Kontakte unterhält. Wer garantiert, dass sie nicht irgendwann Zugang zu radioaktiven Substanzen bekommen?

Wie also soll man mit einem solchen Gefahrenpotenzial umgehen? Sanktionen scheinen ein probater Weg zu sein. Aber wenn die wichtigsten Handelspartner des Iran, China und Russland, nicht mitmachen, dann verursacht selbst das härteste Embargo nur ein müdes Lächeln bei den Bestraften. Solange es kein einheitliches Vorgehen gibt, gewinnt das Regime dagegen wichtige Zeit zum Feintuning seines Waffenprogramms.

Eine erpressbare Welt

Natürlich haben China und Russland ein großes Interesse daran, die US-Hegemonialordnung im Nahen Osten zu brechen. Denn ein nuklearer Iran wird vor allem in den Golfstaaten eine Sicherheitskrise auslösen. Das Vertrauen in die machtlose Schutzmacht USA wäre empfindlich gestört. Die eine oder andere Nation würde selbst atomar nachrüsten - oder sich China und Russland annähern.

Doch was immer an geostrategischen Überlegungen Peking und Moskau betreiben. Sie sollten bedenken, dass sie sich selbst nicht mehr lange in der Position des Gönners und Freundes befinden werden. Um es exakt zu sagen, dauert die Kumpanei bis zum Zeitpunkt des "Heureka!“ der iranischen Atomingenieure im unterirdischen Waffenlabor bei Quom.

Der Iran wird sich dann mit seinen Atomwaffen nämlich nicht nur unangreifbar gemacht haben. Der Rest der Welt aber, auch seine heutigen Gönner werden sich bis über die Ohren erpressbar gemacht haben.

Insbesondere die Herrscher in Peking müssten dies eigentlich aus eigener leidvoller Erfahrung mit ihrem lästigen Atombruder Kim Jong-il in Nordkorea kennen.

Was bleibt zu tun? So plump es klingt: Derzeit offenbar bloß die von den USA und Israel gemeinsam eingeschlagene Strategie, das Rüstungsprogramm mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu stören. Dazu gehören Spionage, Computersabotage, Mord an Ingenieuren und Militärs. Man kennt diese Methoden aus dem Kalten Krieg des 20. Jahrhunderts. Nur gibt es diesmal kaum Aussicht, dass die Sache glimpflich verläuft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung