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Wunden am Balkan heilen

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Im Friedensprozeß in Bosnien-Herzegowina kommt dem Schutz der Menschen- und Minderheitenrechte eine entscheidende Bolle zu. Dies findet nicht zuletzt darin Ausdruck, daß im Vertrag von Dayton/Ohio der Menschenrechtskomponente ein eigener Annex gewidmet ist. Der Wiederaufbau einer zivilen Gesellschaft in Bosnien-Herzegowina auf der Basis von Demokratie und Menschenrechten stellt die Grundvoraussetzung schlechthin für eine dauerhafte Festigung der politischen und wirtschaftlichen Strukturen dar. So war es richtig, daß die internationale Gemeinschaft im Vertrag von Dayton in sehr konkreter Weise in die Bemühungen um eine neue Menschenrechtskultur in Bosnien eingebunden wurde. Zur Uber-wachung der Menschenrechtslage und zur Unterstützung der bosnischen Parteien wurden im Abkommen eigene Einrichtungen geschaffen wie etwa die bosnische „Menschenrechtskommission", die aus dem Büro des Ombudsmanns und der Menschenrechtskammer besteht.

Sehr bald nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens zeigte sich freilich, daß zwischen den verschiedenen internationalen Organisationen, die in Bosnien zur Überwachung und Förderung der Menschenrechte tätig wurden, ein Koordinationsdefizit besteht. Die OSZE, der Europarat, die Vereinten Nationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, um nur einige zu nennen, die unter der Gesamtverantwortung des für alle zivilen Bereiche zuständigen „Hohen Vertreters", dem früheren schwedischen Ministerpräsidenten Bildt, in Bosnien-Herzegowina ihren Aufgaben im Menschenrechtsbereich nachgehen, haben ihre jeweils eigenen Mandate bislang so erfüllt, daß ihre Missionen insgesamt betrachtet wenig Kohärenz aufwiesen. Diese eher unübersichtliche Situation mag auch ihre Ursache darin gehabt haben, daß im Vertrag von Dayton die Aufträge der neugeschaffenen Menschenrechtsinstitutionen für Bosnien-Herzegowina nur sehr allgemein umschrieben waren. Auch wurde immer deutlicher, daß für einen Erfolg bei der Wiederherstellung einer den Menschenrechten verpflichteten Staats- und Gesellschaftsordnung in Bosnien-Herzegowina die Mitwirkung des einheimischen Elements letztlich entscheidend ist und alle Aktivitäten der internationalen Gemeinschaft nur eine Hilfsfunktion haben können.

Vor diesem Hintergrund wurde die österreichische Initiative der Einberufung eines „Runden Tisches" über Menschenrechte in Bosnien-Herzegowina allgemein sehr willkommen geheißen. Unter den rund 200 Teilnehmern waren die leitenden Vertreter der einschlägig tätigen internationalen Organisationen, wie etwa der Hohe Vertreter Carl Bildt, der UN-Hochkommissär für Menschenrechte Ayala Lasso, die Menschenrechts-Sonderberichter-statterin Rehn und der Chef der OSZE Mission in Bosnien-Herzegowina Fro-wick anwesend. Daneben, und dies erschien besonders wichtig, nahmen an der Konferenz auch führende offizielle Vertreter der bosnischen Parteien und Repräsentanten lokaler Menschenrechts- und Bürgerinitiativen teil. Aus Washington war Assistant Secretary of State for Human Rights J. Shattuck angereist, was allein schon das große Interesse der USA an der Konferenz unterstrich. Alle EU-Staaten und die mittel- und osteuropäischen Staaten hatten hohe Beamte nach Wien entsandt.

Die umfassende und hochrangige Teilnahme aller wichtigen Akteure und insbesondere der Vertreter der bosnischen Parteien gewährleistete einen überaus nützlichen Dialog, der auch zu greifbaren Ergebnissen führte. Zum ersten Mal wurden die Strukturen und die Tätigkeit der vor Ort tätigen internationalen Organisationen im Menschenrechtsbereich klargestellt und dabei die unbestrittene Führungsrolle des Hohen Vertreters Bildt unterstrichen. Die von Bildt angekündigte Einrichtung eines Menschenrechts-Koordinationszen-trums für Bosnien-Herzegowina wurde nachdrücklich begrüßt.

Es kann nunmehr erwartet werden, daß in Hinkunft der Einsatz der internationalen Gemeinschaft effizienter als bisher abläuft. Von der Wiener Konferenz ging das eindeutige Signal aus, daß ohne entsprechende Fortschritte im Menschenrechtsbereich seitens der internationalen Gemeinschaft keine Bereitschaft besteht, den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau in Bosnien- Herzegowina zu unterstützen.

Für Österreich bot das Wiener Round Table die ausgezeichnete Gelegenheit, wieder sein hohes Profil im internationalen Menschenrechtsbereich unter Beweis zu stellen. Österreich hat bei dieser Gelegenheit sein Engagement bekundet, auch selbst einen konkreten Beitrag zu den internationalen Bemühungen um eine dauerhafte friedliche Lösung in Bosnien-Herzegowina zu leisten. Eine Reihe von Projekten aus Österreich liegt bereits vor. So soll an der Universität Sarajewo eine Menschenrechtsbibliothek eingerichtet, die lokale Polizei mit österreichischer Hilfe ausgebildet und der Aufbau des bosnischen Verfassungsgerichtes mit Hilfe des österreichischen Verfassungsgerichtshofes unterstützt werden.

Die Wiener Konferenz hat geholfen, die in Bosnien-Herzegowina aufgerissenen Wunden zu heilen und den notwendigen Schutz der Menschen-und Minderheitenrechte in den Vordergrund der internationalen Bemühungen um eine Befriedung in diesem Land zu stellen. Das wird selbst von jenen Teilnehmern vorbehaltlos anerkannt, die anfänglich vereinzelt dem Runden Tisch eher reserviert gegenübergestanden waren.

Der Autor ist

Leiferdes Völkerrechtsbüros im Außenministerium

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