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Seele — Person — Gott

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PSYCHOTHERAPIE UND RELIGION. Von Josef Ru din. Walter-Verlag, Olten und Freiburg im Breisgau. 232 Seiten.

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PSYCHOTHERAPIE UND RELIGION. Von Josef Ru din. Walter-Verlag, Olten und Freiburg im Breisgau. 232 Seiten.

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In einem Vorwort erklärt der Autor, daß sich das Buch nicht in erster Linie an die engeren Fachkreise, sondern an den weiten Kreis derer richtet, die beunruhigt sind von wirklichen oder vermeintlichen Gegensätzen zwischen neuen tiefenpsychologischen Einsichten, die durch die Erforschung des Unbewußten und seiner Gesetzmäßigkeiten gegeben sind und den theologischen, vor allem moraltheologischen Grundüberzeugungen. Wenn auch dte. äußere Form des Buches die einer vįiįįgn. scbaftlichen Abhandlung ist, so be Jįt der Autor selbst, daß es sich um E ayS ban- delt, in denen der Dialog Ver tretern der Tiefenpsycj gie einerseits und der Theologie yfietseits als innere Form transparentfl(£cheinea soll wobei dem Autor “‘fJWusbildung und Praxis in beiden vMmmlung von Essays muß man das Buch ge]ungen bezeichnen, vielleicht Einschränkung, daß sich der i y/des Buches im Gegensatz zum Psychotherapie und christliche TV,Jfion in katholischer Sicht beschränkt. rjTs muß deshalb besonders hervorgetan werden, da sich ja gerade der Psychotherapeut unabhängig von seiner persönlichen weltanschaulichen Einstellung religiösen Problemen von Patienten gegenübergestellt sieht, die aus den verschiedensten konfessionellen Lagern kommen und sich anderseits gerade C. G. Jung in seiner analytischen Psychologie — der der Autor nahesteht — sehr mit der Gedankenwelt östlicher Religionen besonders mit dem Buddhismus auseinandergc- setzt hat.

Daß es sich trotz beiderseitiger Vertrautheit mit Materie und Methode nur um Versuche handeln kann, ergibt sich schor aus dem Thema. Psychotherapie auf dei Basis Jungscher Psychologie befaßt sich mit den religiösen Funktionen der menschlichen Seele mit dem Phänomen Glauben ohne auf die Wahrhaftigkeit der Glaubens inhalte einzutreten — für die sie siel auch gar nicht zuständig erachtet — un( leitet demgemäß das Wort Religion vor relegere (sorgfältig beobachten) ab. Wäh rend es der Theologie um die Glaubens Wahrheiten selbst geht und schon di’ Kirchenväter das Wort Religion voi religare (festbinden) abgeleitet haben Wenn auch Psychotherapie (als die Tätig keit von Ärzten und Psychologen in Gegensatz zur Seelsorge der Priester nicht gleichzusetzen ist mit Religions Psychologie, so wird sie doch Erlebniss des religiösen Lebens mit den Methode: und der Terminologie der Psychologi i beschreiben. Daß aber eine derartig

? phänomenologische Betrachtungsweise nich t zu einer Auflösung religiösen Glaubens - - wie etwa bei Freud — führen muß, be i weist der Autor mit einem Ausspruch voi r C. G. Jung, den er seinem Buch vorange t stellt hat: .„Nicht ich habe der Seele ein r religiöse Funktion angedichtet, sondern ic t habe die Tatsachen vorgelegt, welche be n weisen, - daß die Seele — naturalite e religiosa — ist. daß heißt, eine religiös e Funktion besitzt.“

I, In dem ersten Teil des Buches führt d is Autor den Leser in die Ergebnisse un e Schwierigkeiten tiefenpsychologischer Fo: i- schung ein. Er tut es in einer sehr le: ‘S baren A’t, ohne auf Quellenangaben odf d notwendige Erklärungen verschieden: i- Termini zu. verzichten. Durch reichlich - Zitate gewinnt der Leser auch Einblick i f- die wichtigsten originalen Formulierunge der zitierten Autoren. Besonderer Bedei tung wird dabei der analytischen Psychologie C. G. Jungs beigemessen, aber auch - anderen Pionieren der Tiefenpsychologie, vor allem Siegmund Freud, wird die gerechte Würdigkeit nicht versagt. Der Autor bemüht sich, die Gefahren und Irr- i Wege der Persönlichkeitsentwicklung auf- i zuzeigen und betont dabei die Wichtig- i keit,..die eigene Seele auch wirklich zu er- : Jiben, die heute so viele Menschen durch i ‘ Flucht in Krankheit, Kollektivneurose oder i m die Faszination des Intellektes entfremdet sind, „ln einer seelisch unterernährten Menschheit kann selbst Gott nicht gedeihen." (C. G. Jung.)

Vielleicht könnte man sagen, daß in dem ersten Teil des Buches der Autor bemüht ist, sich als Tiefenpsychologe mit der Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit auseinanderzusetzen. In einem zweiten Teil des Buches setzt er sich als katholischer Theologe mit der Entwicklung der Tiefenpsychologie auseinander. Er beginnt mit der Jungschen Erkenntnis, daß die Probleme seiner Patienten jenseits der Lebensmitte letztlich immer Probleme der religiösen Einstellung seien und verfolgt die tiefenpsychologischen Forschungsergebnisse (Freud hat die Religion noch als neurotische Illusion gedeutet) bis zum „psychologischen Gottesbeweis“ von Daim. „Die Verabsolutierungstendenz des Menschen bleibt nur dann sinnvoll und läßt ihn nicht in der Neurose stecken, wenn ein Absolutes existiert.“ Der Autor stellt dies mit Recht deutlich als Postulat heraus und verweist auf den den Rahmen der Psychologie sprengenden Übergang zur Methaphysik.

Besondere Anerkennung gebührt dem Autor, daß er sich mit C. G jung vielleicht gewagtestem Buch „Antwort auf Hiob“ auseinandergesetzt hat. Es würde den Rahmen der Besprechung sprengen, wollte man sich hier mit dieser Antwort auf eine „Antwort“ auseinandersetzen. Betont muß aber werden, daß der Autor als katholischer Theologe der Psychologie das Recht zuspricht, sich, wie es der Philologie und den Naturwissenschaften zugebilligt wird, mit ihren Methoden mit der Heiligen Schrift auseinanderzusetzen.

Im Anschluß an dieses Kapitel setzt sich der Autor noch mit dem neurotisierten Gottesbild auseinander und weist in einem weiteren Kapitel „Neurose—Perfektionismus—Frömmigkeit“ auf den zwangsneurotischen Charakter jeder perfektionistischen Einstellung hin. Daß er sich in einem eigenen Kapitel um die Abgrenzung, aber auch Zusammenarbeit von Psychotherapie und Seelsorge bemüht, ist wohl das wichtigste Anliegen des Autors und aller Seelsorger und Psychotherapeuten, die um eine solche Zusammenarbeit wirklich bemüht sind.

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