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Digital In Arbeit

REVUE IM AUSLAND

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„La Ci v i 11 a C a 11 o 1 i c a" vom 16. Oktober veröffentlicht einen Artikel von A. Brucculeri über „D i e Beziehung zwischen dem Erzeuger und den Produktionsmittel n“. Die Hochschätzung und Verherrlichung der Arbeit in unserer Zeit, die fast bis zu „einer Mystik, einer Religion, einer Kultur der Arbeit“ geführt habe, sei zutiefst in der christlichen Auffassung vom persönlichen Wert der Arbeit begründet. Aus dieser Auffassung der Arbeit als eines Faktums der Einsicht, des Willens, der Freiheit und des Bewußtseins aber ergeben sich die besonderen Beziehungen zwischen dem arbeitenden Menschen und den Mitteln, deren er sich zu seiner Arbeit bedient.

„Erwirbt er Rechte Ober diese Mittel? Und welche? Es gibt Gelehrte, die fern allen demagogischen Ideologien und bestrebt, eine Christ liehe Ldire über das Eigentum an Produktionsmitteln zu entwickeln, der Ansicht sind, daß der Arbeiter auf lange Sicht ein volles und echtes Eigentumsrecht an den Mitteln erwirbt, die er im Produktionsprozeß verwendet hat. Daß diese Ansicht wohl begründet und, sagen wir es ruhig, selbstverständlich ist, kann niemand bezweifeln, wenn die fraglichen Werkzeuge res nullius sind. Der Zweifel erhebt sich, wenn es sich um Mittel handelt, bei denen es bereits einen ersten Besitzer und rechtsmäßigen Eigentümer gibt."

Gewiß erwachse zwischen dem Landmann und dem Boden, dem Kutscher und dem Pferd, dem Arbeiter und der Maschine eine Art Vertrautheit, die ständig wächst und die etwa dem Bearbeiter des Bodens eine immer eingehendere intuitive Kenntnis verleiht, „eine schöpferische Kenntnis zur Anpassung des Menschen an die Erde und der Erde an den Menschen, der sie ununterbrochen verbessert, eine fruchtbare Kenntnis, welche den außerordentlichen Wirkungsgrad der Arbeit gewährleistet“. Auf der anderen Seite aber gehöre zum Wesen des Eigentums —- und gerade auch des Eigentums, das durch Arbeit erworben wird — die Beständigkeit.

„Aber wenn man an der Beständigkeit des Eigentums festhalten muß, so ist nicht weniger notwendig die Erkenntnis, daß dessen Konzentration in einer beschränkten Klasse von Begünstigten dessen soziale Funktion behindert, mit jenen traurigen Folgen, die jegliche menschliche Ordnung umstürzen. Eine Organisation der bürgerlichen Gemeinschaft, in der die Arbeiterschaft nichts besitzt, wird nie ein beständiges Gleichgewicht haben, weil eine Arbeiterschaft ohne jegliches Eigentum immer Gefahr laufen wird, das Opfer einer doppelten Spekulation zu werden: einerseits der kapitalistischen Spekulation und andererseits der demagogischen Spekulation. Man muß daher alle möglichen Wege eröffnen, um Arbeit und Eigentum wieder zu vereinen. Und was anderes wollen die päpstlichen Lehren, die uns einschärfen, die Zahl der Eigentümer immer mehr anwachsen zu lassen? Um diese angestrebte Verbindung von Eigentum und Arbeit zu erreichen, darf man weder die übereilten Mittel der Gewalt anwenden noch die trügerischen Prinzipien einer Sozialmoral auf offensichtlich unzureichender Grundlage. Ohne zu diesen giftigen Betäubungsmitteln Zuflucht zu nehmen, wird der gesunde Rechtssinn im Lichte des Naturrechts und der gebieterischen Forderungen des Gemeinwohls auf sicheren, wenn auch nicht übereilten Wegen dem landwirtschaftlichen und in- . dus’triellen Proletariat den Zugang zum Eigentum eröffnen. Schon sind wir auf dieser Straße, die soziale Entwicklung bewegt sich in dieser Richtung, trotz den Bemühungen und Klagen rückständiger Minderheiten, die den Lauf der Geschichte hemmen möchten. Die vielen, heute schon durchaus geläufigen Vorschläge zur Betriebsreform: Teilhaberschaft an den Produktionsmitteln, Aktienbesitz der Arbeiter, Gewinnbeteiligung, Arbeitsgemeinschaft, Verbindungen von Kapital und Arbeit, Produktionsgemeinschaften und ähnliches, suchen den Anteil des Arbeiters am Produkt zu erhöhen, indem sie ihm so Ersparnisse ermöglichen, die in Eigentum investiert werden können. Wir glauben jedoch nicht, daß die Verbindung der Arbeit mit dem Besitz der Produktionsmittel die einzige Lösungsformel der sozialen Frage ist. Das Wirtschaftsleben ist so verschieden und vielseitig, daß es sich nicht in einen zwangsläufig abtötenden Strukturmonismus einkapseln läßt. Die V e r s c h i e- denheit der Betriebe verlangt eine Vielfalt der O r g a n i s a t i o n s f o r- m e n.“

Die linksgerichtete französische Wochenschrift „Actio n“ bringt in ihren Nummern vom 19. und 26. Oktober die ersten Ergebnisse ihrer Umfrage, „Die Psychoanalyse, Wissenschaft oder Mystifikation“ ein Auszug davon im Wochenbericht des französischen Informationsdienstes, Wien, vom 25. Oktober, worin bekannte französische Ärzte ihre Stellungnahme zur Lehre Freuds bekanntgeben. Professor Jean L’H e r m i 11 e von der Academie de Medicine geht dabei von dem wachsenden Interesse der breiten Öffentlichkeit an dem Fragenkomplex der Psychoanalyse aus.

„Die Popularisierung, die in zahlreichen Ländern um sich greift, ist meiner Meinung nach sehr bedauerlich, denn meist wird die Psychoanalyse dabei verzerrt, romantisiert und ausgeschmückt. Für den, der die Arbeiten der tiefenpsychologischen Richtungen, die Analyse, wie sie die Schüler Freuds aufgefaßt haben, und die divergierenden Ansichten innerhalb dieser Schule kennt, ist sie eine komplizierte Angelegenheit, die ernste Studien erfordert. Es ist zu beachten, daß Freuds Werk vor allem eine therapeutische Technik darstellt — der theoretische Teil dieser Psychoanalyse ist stark anfechtbar."

Die Interpretationen Freuds würden von einem großen Teil der modernen Psychoanalytiker abgelehnt, so daß die Psychoanalyse heute in voller Umgestaltung begriffen sei.

„Gewiß, die Analyse ließ uns neue Einblicke in die Psychologie des Unbewußten gewinnen und ermöglichte ein besseres Verstehen der neurotischen Zustände, aber man muß sich davor hüten, aus dieser Methode ein Allerweltsheilmittel zu machen und zu glauben, daß man durch sie die tieferen Ursachen sozialer Mißstände, die geheimen Motive von Störungen des psychischen Gleichgewichts auffinden könne, an denen in unserer Zeit so viele leiden. Die Psychoanalyse ist eine Technik, eine therapeutische Methode — man muß die Psychologie und Psychopathologie kennen, um sie zu beherrschen. Nur erfahrene Ärzte sind in der Lage, die Wirkungen abzuschätzen und die Behandlung zum Erfolg zu führen, denn falsch gehandhabt ist die Psychoanalyse ein sehr gefährliches E x peri- men t.“

Auf einer ähnlichen Linie liegen auch die Äußerungen der meisten anderen Ärzte, die den therapeutischen Wert der Methode durchaus anerkennen, sich aber gegen die Popularisierung und gegen die Übertragung als Allheil- und Allerklärungsmittel auf andere Gebiete Literatur, Soziologie, Politik, Ästhetik und Religion wenden. So sagt Dr. Hesnard:

„Aus der populären Verbreitung der Psychoanalyse resultiert eine Überschätzung ihrer Möglichkeiten. Wohl gestattet sie in gewissen Fällen eine wirksame Behandlung von Neurotikern und psychisch labilen Personen, sie vermag aber dort nicht zu helfen, wo die Störungen des psychischen Gleichge- wichts Reaktionen auf fortgesetzte aktive Einwirkungen der Umwelt sind, persönlicher, beruflicher oder sozialer Art.“

Mehrere Ärzte behandeln das Verhältnis von Psychoanalyse und M a r x i s- m u s, wobei die marxistisch eingestellten Ärzte vor allem gegen jene Versuche Stellung nehmen, welche das Handeln sozialer Revolutionäre, ja darüber hinaus, groß# weltgeschichtliche Krisen, wie die Französische Revolution, mit der Terminologie und den Mitteln der Psychoanalyse erklären wollen.

Die meisten englischen Zeitschriften beschäftigten sich im Oktober eingehend mit den beiden großen Konferenzen dieses Monats: mit der Konservativen Parteikonferenz und der „Commonwealth Conferenc e“. Die konservative Parteikonferenz — am Beginn des vierten Jahres der Opposition und des letzten Jahres vor den nächsten Wahlen, durch welche die Partei wieder zur Macht zü kommen hofft — war gekennzeichnet durch eine Verstärkung und Verjüngung der Parteiorganisation, durch Siegeszuversicht und die Bemühung um ein konkretes Programm, das im Falle eines Sieges an die Stelle des Sozialisierungsprogramms der Labour-Party treten solle. Die Unterstützung der Außenpolitik der Regierung, die vor allem in den Reden Churchills und Edens zum Ausdruck kam, wurde von den meisten Zeitschriften besonders betont.

Zur Commonwealth Conference hebt Horace Alexander unter dem Titel „Commonwealth und Rasse" im „S p e c t a t o r" zunächst die Tatsache hervor, daß zum erstenmal in der Geschichte dieser Zusammenkünfte nicht alle Teilnehmer Weiße sind. Gewiß, die Staatsmänner von India, Pakistan und Ceylon sind keine Neger, aber es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sie sich als „Farbige“ fühlen in gemeinsamer Front gegen den „weißen Im-

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