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HANS KATZER / ERHARDS LINKSAUSSEN

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Wolfgang Krüger bedauert in der „Zeit“, über den Nachfolger des Arbeitsministers Blank in Ludwig Erhards neuem Kabinett, Hans Katzer, keine Geschichten erzählen zu wissen, „die geeignet wären, seinem menschlichen Profil Kontur zu geben“, und drückt hier das aus, was jeder Journalist, der häufig „Porträts“ zu schreiben hat, in solch einem Fall schmerzlich vermißt, die Farbe nämlich, mit der ein bürokratisch-trockener Lebenslauf dem Leserauge ein wenig freundlicher gemacht werden kann.

Nun, Hans Katzer, der „Bürgerschreck“ oder gar „schwarzer Kommunist“ genannte Linksaußen der CDU entbehrt solcher Farben durchaus, doch ist er durch Herkunft, Bildungswege und politische Prägung bemerkenswert genug, um als Mandatar einer Partei, auf deren Fahne immer noch „keine Experimente!“ gestickt ist, unter die Lupe genommen zu werden.

Der 1919 geborene Schwiegersohn Jakob Kaisers kommt von der katholischen Soziallehre, aus der von Bischof Ketteier geprägten katholischen Arbeiterbewegung. Der Vater war aus Böhmen an den Rhein gekommen, war Direktor des Deutschen Kolping-werkes und wurde von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben. Der Sohn Katzer mußte das Realgymnasium verlassen, eine Lehre antreten, schließlich den feldgrauen Rock anziehen.

1945 stand daher einer politischen Karriere nichts im Wege. Der Beamte des Kölner Arbeitsamtes wurde 1950 Hauptgeschäftsführer der Sozialausschüsse, 1957 CDU-Bundestagsabgeordneter, 1960 Mitglied des Parteivorstandes, im neuen Kabinett Erhard Arbeitsminister — nachdem man dem Kanzler, wie der „Spiegel“ zu berichten weiß, dringend empfohlen hatte, Katzer nur ja nicht zum Arbeits- und Sozialminister zu machen.

Der neue Minister hat Im Arbeitnehmerflügel der CDU eine nicht unbeträchtliche Hausmacht, dürfte jedoch möglicherweise mit einigem Unbehagen an den Schreibtisch Theo Blanks übersiedeln, da er als konsequenter Verfechter der katholischen Soziallehre sich sehr weit avf ein Gebiet vorgewagt hat, das zu den umstrittensten der Gesellschafts-politik zählt.

Als überzeugter Anhänger der Mitbestimmung — nicht nur auf betrieblicher, sondern auch auf überbetrieblicher Ebene — muß er nun notwendigerweise mit dem Kanzler und dem Koalitionspartner in Konflikt kommen.

So sind es also nicht so sehr sozialpolitische, sondern gesellschaftspolitische Forderungen, denen Katzer seinen Ruf als „Linksabweicher“ verdankt.

Katzer selbst definiert seinen Standpunkt als „zu sozial, um sozialistisch zu sein, und zu freiheitlich, um liberalistisch zu sein“.

Das Ringelspiel um die Regierungsbildung Ludwig Erhards hat einen Mann auf den Posten des Arbeitsministers gesetzt, der dorthin gehört wie kein anderer und der trotzdem in Konflikt mit dem Kurs Erhards kommen kann. Katzer, ursprünglich Kandidat für den Posten eines Wohnungsbauministers, wird nun möglicherweise der Konstellation nicht froh werden. Der Schwiegersohn Jakob Kaisers, der die katholische Soziallehre auch vom Ministerschreibtisch so weit als möglich in Wirklichkeit umzusetzen bemüht ist, der „schwarze Kommunist“, hat von seinem Vorgänger eine Menge unerledigter Akten übernommen, allen voran die Krankenkassenreform: Ein Trost vielleicht für den Kanzler, daß der linke Flügel seiner Partei nun durch „andere Sorgen“ gebändigt ist.

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