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Zwischen den Stilen

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Mit dankenswerter Aufgeschlossenheit hat die Wiener Ordensprovinz der Franziskaner zum Festgottesdienst ihrer Fünfhundertjahrfeier der zeitgenössischen Kirchenmusik das Wort gegeben. Joseph Lechthalers Missa „Gaudens gaudebo“, das Werk kirchenmusikalischen Durchbruchs zur Moderne, 1931 entstanden, wurde aufs neue zur Diskussion gestellt und erwies sich in seiner sakralen wie in seiner künstlerischen Aussage als höchst heutig. Die runde und stimmlich sehr ausgewogene Wiedergabe durch den Akademiekirchenchor (Prof. Dr. Gillesberger) vermochte der besonders reizvollen und entwicklungsgeschichtlich bedeutsamen Stilmischung von Farbe und Linie im Sinne des Komponisten gerecht zu werden.

Stilmischung bedeutet auch das anschließend uraufgeführte „Te Deum“ op. 48 von Ernst Titte 1, das unter anderem eine Zwölftonreihe als Motiv (doch nicht als „Reihe“ im kompositorischen Sinn) verwendet, wodurch tatsächlich Klänge zwischen den Stilen entstehen, die aber in ihrer Konsequenz der Tonalität und ihren harmonischen Beziehungen verhaftet bleiben. Die Tragfähigkeit solcher Mischungen wird noch zu beweisen sein, auch wenn sie von bewährten Händen gemixt sind und die technische Arbeit den erfahrenen Praktiker verrät.

Eine außerkirchliche Feierstunde brachte in ihrem musikalischen Teil ältere Kömpositionen Ernst Tittels zu Gehör: Stücke aus dem Franziskus-Oratorium op 2, aus der Kantate .Lob Gottes in der Musik“ op 21 und das deutsche Te Deum op 9; Musik, von stilistischen und kompositionstechnischen Neuerungen wenig berührt, doch musikantisch beschwingt und persönlich profilierter als manches spätere Werk, vor allem aber viel glücklicher in der Behandlung des gestellten — und viel entscheidenderen Problems. Gelingt es doch dem Komponisten in jedem der drei Werke, die Verschmelzung von Ausführenden und Hörern zur aktiven singenden Gemeinschaft nicht nur zu erreichen, sondern schlechthin zu manifestieren, und damit im Konzertsaal eine im Tiefsten liturgische Aufgabe zu lösen, die in der eigentlichen Kirchenmusik im wesentlichen noch ungelöst ist.

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