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Die Karten auf den Tisch!

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Mit der für kommenden Dienstag auf Initiative der Opposition anberaumten Budget-Enquete feiert ein neues Instrument des österreichischen Parlamentarismus Premiere: Im Rahmen dieser erstmals durchgeführten Enquete wollen die Abgeordneten gemeinsam mit von den drei Parlamentsfraktionen geladenen Experten dem Finanzminister in die Karten schauen. ÖVP und FPÖ wollen Hannes Androsch dazu bewegen, über den tagespolitischen Kampf um Steuererhöhungen und „Tarifanpassungen“ hinaus mehr über seine Generallinie zu sagen.

Die Enquete befaßt sich mit einem dunklen Kapitel der österreichischen Innenpolitik: Obwohl das Geldeinnehmen und -ausgeben nüchtern betrachtet zu den wesentlichsten Tätigkeiten aller Regierungen zählt, scheint der Einblick der Öffentlichkeit und auch der gewählten Volksvertreter in die finanziellen Gebarungen der Regierung proportional zum Explodieren der jährlichen Budgets immer geringer zu werden.

In der Tat dürfte die Fragwürdigkeit der Kontrolle der Regierung durch das Parlament im finanziellen Bereich am ausgeprägtesten sein. Durch das Bestehen zahlloser Rechtsunsicherheiten im Haushaltsrecht (etwa das Fehlen einer Abgrenzung zwischen Finanz-und Verwaltungsschulden), durch die zunehmende Einrichtung von Sondergesellschaften, ein Phänomen, das auch als „Flucht aus dem Budget“ beschrieben wird, und durch das völlige Fehlen einer mittelfristigen, vorausschauenden Finanzplanung ist es dem seit 1970 amtierenden Finanzminister Hannes Androsch gelungen, zwischen seinem Amtsgebäude in der Himmelpfortgasse und der parlamentarischen Opposition einen gutfunktionierenden Nebelvorhang zu etablieren.

In der heimischen Innenpolitik, die im langjährigen Durchschnitt von Personalrochaden, Skandalen um Repräsentationsspesen und Konflikten um Dienstautos sowie Politikergehälter dominiert wird, fristet die Finanzpolitik ein ungerechtfertigtes und wahrscheinlich auch unverantwortliches stiefmütterliches Dasein. Hannes Androsch weiß in dieser Situation gut zu leben: Mindestens seit Reinhard

Karnitz wurde vom Parlament wohl kein Finanznünister mit so lockerer Leine gehalten; nie zuvor konnte der Finanzminister, der völlig unzutreffend meist als Kassenwart der Nation verharmlost wird, so ungeniert und heimlich Gesellschaftspolitik betreiben wie heute.

Was hegt also näher, als dem Finanzminister eine vorausschauende, vielleicht auf fünf Jahre anberaumte, Finanzplanung abzuverlangen? Erste Schritte in dieser Richtung hat ja bereits 1965 der damalige ÖVP-Finanz-minister Wolfgang Schmitz gesetzt. Er brachte dem Parlament erstmals eine Budgetvorschau, die als Prognose und als Vorstufe zu einem mittelfristigen Budgetkonzept gedacht war, zur Kenntnis. Derartige Vorschauen wurden bis 1968 jährlich erstellt, danach setzte der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen von sich aus längerfri-

stige Orientierungspunkte für die Budgetentwicklung. Hannes Androsch hingegen erstellte, nicht nur keine Budgetvorschauen, er versorgte auch den Beirat nicht mit den für eigene Berechnungen notwendigen Daten.

Beispiele für mittelfristige Finanzplanungen gibt es in vielen Ländern. So wurde auch in der Bundesrepublik Deutschland die gesetzliche Voraussetzung für mehrjährige Finanzpläne geschaffen. Danach ist die Finanzplanung auf fünf Jahre festgesetzt, wobei nach dem Prinzip der „rollenden Planung“ eine Berücksichtigung der aktuellen Prognosen und Daten alljährlich erfolgen kann. Damit kann die geschätzte Lage an die tatsächliche Szene flexibel angepaßt werden.

In der gesetzlichen Verankerung der mittelfristigen Finanzplanung sind dem Bund aber auch einige Bundes-

länder zuvorgekommen: In Kärnten, Oberösterreich und der Steiermark sehen die jeweiligen Gemeindehaushaltsordnungen entsprechende Bestimmungen vor. Eine Vorlage der Bundesregierung für ein Bundeshaushaltsgesetz zur gesetzlichen Verankerung der Finanzplanung hingegen ist 1973 im Parlament liegengeblieben.

So wird halt weiter von der Hand in den Mund gelebt: Was der gefräßige Vater Staat zur Finanzierung seiner Vorhaben braucht, zieht er den Steuerzahlern je nach Bedarf aus den Brieftaschen.

Dabei gäbe es Gründe genug, von der ausschließlich jährlichen Einteilung in der Finanzplanung Abschied zu nehmen.

Das Wörtchen „Transparenz“, das sich gerade die Sozialisten immer wieder auf die Fahnen schreiben, käme zu neuen Ehren. Die gesamte Öffentlichkeit, insbesondere natürlich das Parlament, könnte Budgetmanöver besser beurteilen; die Rolle des Parlaments würde gestärkt, die Abgeordneten könnten sich alte Rechte wieder vom Finanzminister zurückholen.

Die in den letzten Jahren auf Grund der Hü-Hott-Politik des Finanzministers aber auch infolge der Verkomplizierung der Wirtschaftsszene häufiger werdenden Fehlprognosen würden sich nicht so fatal auswirken: Fehlprognosen ist auf längere Sicht klarerweise besser gegenzusteuern als bei Planungsperioden von nur einem Jahr.

Schließlich aber könnte auch die Regierung selbst ein starkes Interesse an einer mittelfristigen Finanzplanung haben: Als Selbstschutz vor Lizita-tionspolitik, als Zwang zur Seriosität.

Doch abgesehen von diesen Argumenten sollte auch der Zustand der Staatsfinanzen eine klare Sprache sprechen: Das Budgetdefizit stieg von 7,2 Milliarden Schilling (1970) auf 43,5 Milliarden (geschätzt für 1977); die Finanzschulden des Bundes haben sich von 47 Milliarden im Jahre 1970 bis heute auf mehr als das Dreifache ausgeweitet, für 1985 rechnet man mit 300 Milliarden Schilling an Finanzschulden.

Das Loch in der Staatskasse ist aber nicht nur größer geworden, zu einem guten Teil sind die gefährlichen Abgründe noch gar nicht erkennbar: In einzelnen Fällen sind für Staatsschulden tilgungsfreie Jahre vorgesehen; die Rückzahlungen beginnen erst 1979 oder 1980 den Haushalt zu belasten.

Wirtschaftsexperten sind der Uberzeugung, der gesamte Bundeshaushalt wäre nicht derart entgleist und auch die Schwächen des neuesten von der Regierung mehr improvisierten Investitionsprogramms hätten vermieden werden können, hätte sich die Regierung frühzeitig von einer mittelfristigen Finanz- und Investitionsplanung leiten lassen.

Wahrscheinlich ist die Regierung zu stolz, ein Modell für eine mittelfristige Finanzplanung aufzugreifen, für das ein schwarzer Minister namens Schmitz wichtige Vorarbeiten geleistet hat. Damals sollte im Rahmen der „neuen Sachlichkeit“ dem grenzenlosen Fordern und Lizitieren ein Riegel vorgeschoben werden. Hannes Androsch könnte diesen Riegel sicher auch gut brauchen - vielleicht würde er dann weniger oft Reflexionen über seinen angeblich bevorstehenden Rückzug aus der Politik anstellen.

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