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Es geht um mehr als nur um den Wein

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Der Rütlischwur war schnell vergessen. Als der Schock noch wirkte, war man sich rasch einig gewesen, das „schärfste Weingesetz Europas“ verabschieden zu müssen. Inzwischen aber nützen nicht einmal mehr die Appelle des Bundespräsidenten, einig zu sein. Wenn auch das Weingesetz den Anlaß gab, wenn es auch den Bundesrat beschäftigte und nochmals den Nationalrat beschäftigen wird — in Wirklichkeit sind ganz andere Überlegungen maßgebend.

Die kurzangebundene, fast schnoddrige Art, mit der Fred Si-nowatz die protestierenden Bauern abblitzen ließ—sonst gar nicht sein Stil —, ließ deutlich werden, daß hier mehr im Hintergrund stand, als ein paar Bürokratismen im neuen Gesetz.

Alois Mock wäre mit einem minimalen Entgegenkommen zufrieden gewesen — er bekam es nicht, weil es längst um anderes ging als um ein paar Prozent Weinsteuer.

Hier begann bereits der Wahlkampf. Hier sollte bereits der Oppositionsführer in ein Eck gedrängt werden, in dem er entweder für die Weintrinker oder für die Weinproduzenten unglaubwürdig werden sollte. Also mußte das Gesetz für die Opposition unannehmbar gemacht werden.

Aber noch mehr: Wenn man schon keinen Wert darauf legt, nationale Einigkeit zu zeigen, dann ergab sich die Gelegenheit,, ideologische Vorstellungen mit Einzubringen. Dann konnte man mit der Verlagerung etlicher Zuständigkeiten von den Ländern auf den Bund — und damit in die längst „erröteten“ Ministerien — eine Bevölkerungsgruppe besser in den Griff bekommen, die sich bisher dank starker Interessenvertretungen diesem Zugriff erfolgreich entzogen hatte.

Dann konnte man aber auch die umfassende Überwachung der Bürger durch den Staat einen Schritt weiterbringen. Wenn jeder einzelne Weinkäufer im Computer erfaßt werden würde, um ihm gegebenenfalls auf die Zehen steigen zu können. Daß in der Endfassung die Meldepflicht erst bei 50 Litern ansetzt, ändert nichts an der anfänglichen Absicht, keine Untergrenze gelten zu lassen.

Logischerweise bleibt die Gegenseite nicht tatenlos. Wenn sie in einem Atemzug mit dem Landwirtschaftsminister den Gesundheitsminister attackiert, obwohl dieser! mangels entsprechender Kompetenzen doch sicher geringere Mitschuld trägt, dann steht hier eben der Präsidentschaftskandidat für 1986 im Visier. Die ÖVP hat die Herausforderung erkannt und angenommen.

Mit dem Nein der ÖVP ist aber auch eine der wenigen richtigen Bestimmungen des neuen Weingesetzes, die Anbaubeschränkung, unmöglich geworden, eine Voraussetzung dafür, daß in Zukunft auf Qualität statt auf Quantität geachtet werden soll.

Ob dies alles der Versicherung entspricht, Österreichs Ruf in der Welt wiederherstellen zu wollen, darf bezweifelt werden.

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