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Friedensgespräch mündete in Ostblock-PropagandaIß

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Der Internationale Philosophenkongreß in Düsseldorf im vergangenen Sommer - die FURCHE hat in Nummer 38 darüber berichtet - hat vor allem durch die Konfrontation westlicher und östlicher Philosophen Aufsehen erregt. Im Schatten blieb dagegen ein Treffen der anwesenden „Friedensforscher“, über das nun ein Teilnehmer, Rechtsanwalt Dr. H. Christof Günzl, Wien, berichtet.

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Der Internationale Philosophenkongreß in Düsseldorf im vergangenen Sommer - die FURCHE hat in Nummer 38 darüber berichtet - hat vor allem durch die Konfrontation westlicher und östlicher Philosophen Aufsehen erregt. Im Schatten blieb dagegen ein Treffen der anwesenden „Friedensforscher“, über das nun ein Teilnehmer, Rechtsanwalt Dr. H. Christof Günzl, Wien, berichtet.

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Am Rande des Kongresses, aber /^t dennoch im Zentrum des allgemeinen Interesses fand eine öffentliche Sitzung des Universitätszentrums für Friedensforschung, Wien, und der bulgarischen Philosophischen Gesellschaft statt. Die Beteiligung an dieser Veranstaltung war so rege, daß sie auf zwei Tage erstreckt werden mußte. Freilich kamen dann am zweiten Tag fast nur noch Kommunisten aus Ostblockländern, wodurch sich diese Veranstaltung sehr bald als ein kommunistisches Propagandaunternehmen erwies. Den Vorsitz führten Prof. Ganovski, Sofia, der Präsident der Internationalen Föderation der Philosophengesellschaften, und Prof. DDr. Leo Gabriel, Wien.

Professor Gabriel verfolgt mit seiner initiativen Mitarbeit an der Friedensforschung eine Strategie, die Beachtung verdient: Er ist überzeugt, daß durch einen offenen Dialog zwischen uns und den Kommunisten eine Integration der Dialogpartner auf höherer Ebene zustandegebracht werden kann und daß hiedurch ein umfassender Sinn- und Seinszusammenhang gestiftet wird, der auch auf den Kommunismus zurückwirkt und dessen Weiterentwicklung im Sinne gemeinsamer Wertvorstellungen bewirken könnte.

Dieses Konzept ist in der Theorie zweifellos richtig, funktioniert aber nicht, wenn die Gegenseite eben keinen „offenen“ Dialog führt, sondern kommunistische Agitation betreibt. Man wird die Kommunisten von dieser Verhaltensweise aber nur dann abbringen können, wenn man sie

verunsichert und ihnen plausibel macht, daß sie ihre geistigen Positionen einfach nicht aufrechterhalten können. Dies muß einerseits dadurch geschehen, daß man ihnen ein wohlbegründetes „Nein“ hart entgegenstellt, ihnen aber auch Wege für ihre eigene Weiterentwicklung, ohne allzugroßen Gesichtsverlust, aufzeigt. (In der Tat sind erste Anzeichen für einen möglichen Prozeß des Umden-kens im Dialektischen Materialismus am Horizont sichtbar.)

Beim Friedensgespräch in Düsseldorf waren freilich nur kommunistische Agitatoren aufmarschiert. Ihre Argumentation war plump, aber nicht unwirksam. Sie war etwa wie folgt aufgebaut:

• Der Krieg ist schrecklich und die neuen Waffensysteme, insbesondere

die Neutronenwaffe, sind grauenerregend.

• Für den Frieden gibt es daher keine Alternative und alle Völker wollen den Frieden.

• Die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder sind eine Friedensmacht und der Kommunismus ist eine den Frieden garantierende Lehre.

• Der Antikommunismus gefährdet daher den Frieden; der Angriff auf den Kommunismus ist Kriegshetze.

Diese Sitzung der „Friedensforschung“ hat also auch dem naivsten Zeitgenossen klargemacht, daß die weltweite kommunistische Kam-

pagne für den Frieden nichts weiter ist, als ein Ringen um die pax sowje-tica, einen Frieden, den eine kommunistisch gewordene Welt „genießen“ würde.

Ich habe diese Heuchelei dann in einem zwanzigminütigen Referat angegriffen und dabei folgende Grundgedanken deponiert:

• Die persönliche Freiheit ist die Funktionsbedingung jeder Gesellschaft, andernfalls die Gesellschaft in eine Sackgasse der Evolution gerät. Der Kampf für den Frieden ist daher vom Kampf für die Menschenrechte nicht zu trennen.

• Der Dialektische Materialismus, der davon ausgeht, daß einzig und allein der Kampf der Gegensätze Bewegung und Fortschritt erzeugt, eignet sich nicht 'als geistige Grundlage einer friedlichen Weltgemeinschaft.

• Das dialektische Denken wird daher zwangsläufig von der Geschichte überholt werden und muß sich auf eine Denkstruktur hin entwickeln,

die als integratives Denken charakterisiert ist.

Uber mein Kurzreferat ist dann etwa zwei Stunden diskutiert worden, wobei sich vor allem Ostdeutsche und Russen als Gegner hervortaten. Meine Argumente wurden offensichtlich sehr ernst genommen. Ich gewann also auch bei dieser Veranstaltung den Eindruck, daß in der geistigen Welt des Kommunismus vereinzelt Ansätze für ein Umdenken bestehen. Ob und wann solche Ansätze etwa zu einer Änderung der Ideologie oder gar der Politik der sozialistischen Ländern führen könnten, möchte ich freilich nicht voraussagen.

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