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Diskurs über Macht und Freiheit

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Es ist eine zeitlich und-räumlich weif ausgreifende • Skizze, die Dürrenmatt hier entworfen hat, um seine Beurteilung der Weltlage zu veranschaulichen. Sie ist sozusagen grundiert mit einem Diskurs über die Macht und die Freiheit; über die Macht als moralisches Problem und über die Gefahr ihres Mißbrauchs, die im staatlichen Bereich in dem Maße wächst, als sich die Zahl der Aufgaben mehrt, die der Staat an sich zieht, und zu einer totalen Gefahr wird, wo der Staat ein Herrschaftsrecht über sämtliche Gebiete des gesellschaftlichen Lebens beansprucht; und über die Freiheit als politische Idee, über die Geschichte ihrer Entwicklung, und über den Zustand der Freiheit, der nur dort bestehen kann, wo zwischen Staat und Gesellschaft unterschieden wird und die Gesellschaft und ihre Glieder und Gliederungen gegen Übergriffe der staatlichen Macht gesichert sind. Von seinen Betrachtungen in dieser Sphäre wendet sich der Autor dann den Spannungsfeldern zu, die entscheidend sein werden für die im Titel seines Buches angedeutete Frage. Er sieht eine Explosionsgefahr nicht allein im ideologischen Gegensatz zwischen der freien Welt des Westens und dem kommunistischen Osten, einem Gegensatz, der, wie er mit Recht sagt, von vielen im Westen aus einem fatalen Irrtum heraus zu wenig ernst genommen wird, sondern nicht minder oder vielleicht noch mehr in dem, was er das zentrale Problem der Weltpolitik von morgen nennt — das Problem der Zukunft der Entwicklungsvölker. Im Westen konnte sich die Demokratie nach jahrhundertelangen geistigen Auseinandersetzungen in ihren heutigen Formen erst dann durchsetzen, als das Analphabetentum überwunden war. In den nach völliger und sofortiger Freiheit drängenden ehemals kolonialen Ländern soll dieser langwierige historische Prozeß einfach übersprungen und das Endprodukt, der demokratische Apparat westlicher Marke, über Nacht installiert werden, ohne Rücksicht auf das Fehlen des ideellen Fundaments. Ob sich bei den des Lesens und Schreibens unkundigen Bevölkerungsmassen dieser Länder die kommunistische Radiopropaganda mit ihren an primitive Instinkte appellierenden und überzeugend klingenden Schlagwörtern nicht mehr Gehör verschaffen kann, als die einen bestimmten Bildungsgrad und ein eigenes Urteilsvermögen voraussetzende Stimme der freien Welt, ist eine Frage folgenschwerster Bedeutung. Dürrenmatt läßt sich, wie er schon in seinem Vorwort erklärt, auf keine weltpolitische Prophezeiung ein, aber es ist klar, daß er die Chancen der Entwicklung des gegenwärtigen faulen Friedens zu einem wirklichen Frieden für sehr gering, und die Möglichkeit einer neuerlichen Weltkatastrophe, die auch ohne Einsatz atomarer Waffen ein unvorstellbares Ausmaß erreichen würde, für durchaus gegeben hält. Sein Buch enthält manche interessante Gedmken und Schlußfolgerungen, die in weitesten Kreisen der westlichen Welt Beachtung

RIEDEN. Von Peter Dü~r renmatt. Verlag Seiten. Preis 14 sfr, finden sollten; aber leider auch verschiedener sjtfa tümer oder Fehlauffassungen, die der Autor selbst, bei einer aufmerksamen Revision seines Manuskripts sicherlich korrigiert haben würde. So stimmt es natürlich nicht, daß sich die Amerikaner zur Abkürzung des Krieges vor die Wahl gestellt sahen, entweder die Atombombe zu verwenden oder die sowjetischen Armeen um Hilfe zu bitten; sie wählten bekanntlich nicht, sondern taten beides. Die kommunistische Herrschaft in den heutigen Satellitenstaaten der UdSSR in Europa wurde nicht von „entschlossenen Minderheiten auf den Voraussetzungen totaler Umwälzungen...“ errichtet, sondern von Beauftragten Moskaus, die gestützt waren auf die sowjetischen Panzer. Es liegt kein Grund vor, das kommunistische Jugoslawien als ein Bollwerk gegen den sowjetisch-kommunistischen Imperialismus zu betrachten, und abwegig ist es, das Tito-Regime mit den in Spanien und in Portugal herrschenden Regierungssystemen in eine Reihe zu stellen. Anderseits zeigt Dürrenmatt ein erfreulich gesundes Verständnis für das „in der Geschichte gewachsene Kunstwerk“ der Donaumonarchie. Kwrf Strachwttz

EINÜBUNG INS PHILOSOPHISCHE DENKEN.

Von Wilhelm K e i 1 b a c h. 1. Auflage. Verlag Max Hueber, München. 180 Seiten. Preis 9.80 DM.

Im Mittelalter galt es als selbstverständlich, daß dem Studium, gleich welcher Richtung, eine philosophische Ausbildung voranzugehen hatte. Auf dieses Ideal nimmt heute nur noch die Studienordnung der theologischen Fakultäten gebührend Rücksicht. Die philosophischen Fakultäten begnügep sich oft mit dem sogenannten „Philosophicum“ Sonst bekennt man sich allenthalben gerne zum Spezialistentum Dieses falsche Bildungsideal hat bewirkt, daß aus der Universitas litterarum ein „Aggregat von Fachschulen“ (Jaspers) geworden ist. Es hat sich indes gezeigt (die Bemühungen um die Einrichtung eines Studium generale beweisen es), daß man auf „philosophisches Denken“ nicht ganz verzichten kann.

Daraus ergibt sich die Aktualität dieses Buches, dessen Autor ordentlicher Professor an der Universität München ist. Auf Grund langer akademischer Lehrtätigkeit weiß er um die Nöte des Studierenden, der es mit der Philosophie probiert. Er versucht hier, mit dem Uneingeweihten so ins Gespräch zu kommen, daß daraus ein philosophisches werde. Keilbach zeigt, wie philosophisches Denken, unabhängig von Ideen und Systemen, in Gang gebracht werden kann. Dergestalt füllt diese Einführung nicht nur eine Lücke aus, sondern erreicht ihr Ziel. Überdies wird auch auf den neuesten Stand der Probleme und der Fachliteratur verwiesen. Das dünne, wohlfeile Buch, ist ein echtes Vademecum, was ja soviel heißt wie: komm mit mir — dem Laien zum Nutzen, dem Kundigen zur Freude.

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