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Gretchenfrage an den Steuerzahler

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Die geplante Steuerreform wirft für die Religionsgemeinschaften in Österreich eine wichtige Frage auf: Wie können sie in Zukunft zu Daten über ihre Mitglieder kommen?

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Die geplante Steuerreform wirft für die Religionsgemeinschaften in Österreich eine wichtige Frage auf: Wie können sie in Zukunft zu Daten über ihre Mitglieder kommen?

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Ein neuer „Medienbischof', der neue Weltkatechismus, das Thema Kirche und Europa, die Lage im ehemaligen Jugoslawien - solche Fragen stehen für die derzeit in Wien tagenden römisch-katholischen Bischöfe Österreichs zur Diskussion. Ein Eisen scheint besonders heiß zu sein: die zukünftige Erfassung der Kirchenmitglieder.

Mit 1. Jänner 1994 sollen in Österreich die Lohnsteuerkarten abgeschafft werden. Damit benötigt die Finanzverwaltung auch nicht mehr die von den Gemeinden im Abstand von fünf Jahren erhobenen Haushaltslisten. Laut Bundesabgabenordnung sind den in Österreich anerkannten religiösen Gemeinschaften bestimmte Personaldaten aus diesen Listen zugänglich.

Der Staat hat sich zusätzlich gegenüber der Katholischen Kirche (im Konkordat von 1934 sowie im Vermögensvertrag von 1960) und gegenüber der Evangelischen Kirche AB und HB (im Protestantengesetz von 1961) verpflichtet, zur Einbringung von Kirchenbeiträgen die nötige Hilfe zu leisten. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz müßte dies auch für die anderen anerkannten Gemeinschaften (die Altkatholische Kirche, die Orthodoxie - Griechen, Serben, Russen, Rumänen, Bulgaren -, die Armenisch-apostolische Kirche, die Methodisten, die Mormonen, die Israelitischen Kultusgemeinden, die Neuapostolische Kirche, die Buddhisten, die Syrisch-orthodoxe Kirche und den Islam) gelten.

Schon jetzt war die Zahl der von den Kirchen und Religionen erfaßten Gläubigen, wie ihnen das nun vorliegende Ergebnis der Volkszählung 1991 schmerzlich bewußt machte, meist eine andere als die Zahl der Statistiker. Der Evangelischen Kirche fehlen zum Beispiel über 30.000 in der Volkszählung erfaßte Gläubige als Beitragszahler. Die „Angaben-Verweigerer" der Volkszählung dürften großteils von ihrer Kirche noch registrierte Katholiken sein.

Der griechisch-orthodoxe Erzbi-schof von Wien, Michael Staikos, beklagt auch, daß die Orthodoxen (insgesamt über 100.000, fast zur Hälfte Serben) in der Statistik nur unter , Andere" erwähnt sind, während kleinere und in Österreich erst später anerkannte Gemeinschaften (Altkatholiken, Israeliten) genau gezählt werden. Dabei geht es Staikos um genaue Zahlen, nicht um Geld, denn seine Kirche nimmt aus Tradition keine fixen Beiträge, sondern lebt von Spenden und anderen Zuwendungen von Wohltätern.

Katholiken und Evangelische müssen hingegen angesichts ihres Finanzbedarfs darauf pochen, daß sie weiter vom Staat die nötigen Daten bekommen. In die diesbezüglichen Verhandlungen ist neben dem Finanzministerium auch das Innenministerium einbezogen. Es wird erwogen, in Zukunft im Rahmen der Sozialversicherung, eher aber auf dem Meldezettel auch das „Religionsbekenntnis" zu erheben und die Religionsgemeinschaften dann mit den erforderlichen Daten zu versorgen. Ob eine solche Reform bis 1994 gelingt, bleibt abzuwarten.

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