6968013-1985_20_09.jpg
Digital In Arbeit

Handlungsdruck ausüben

Werbung
Werbung
Werbung

Worauf es in der Umweltpolitik ankommt, ist nicht die generelle Linie einer Gesellschaftsordnung, sondern wie sehr die Entscheidungsträger — in der Demokratie das breite Wahlvolk—Umweltziele artikulieren und durchsetzen können. Wie steht es damit im gegenwärtigen Österreich?

Erstens erleichtert die ausgebildete Kooperationsstruktur der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft die Auffindung von Einigungsformeln, die eine große Mehrheit einigermaßen zufriedenstellt. Es ist zwar richtig, daß die Lohn- und Preispolitik das Herzstück sozialpartnerschaftlicher Tätigkeit ist. Aber darüber hinaus wird sie — vielfach erst durch die zuständigen Staatsorgane aufgefordert — auch aktiv in der Findung von Kompromißformeln in unzähligen anderen gesellschaftlich relevanten Fragen. Ihr wohlausgeklügelter Einigungsmechanismus führt dazu, daß auch in zentralen Umweltfragen rascher und reibungsloser Einigungen erzielt werden können.

Gesellschaftspolitisch gesehen ist die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft eine aufgeklärte Despotie mit einem schwach ausgebildeten Machtdurchsetzungsapparat. Diese folgen erfahrungsgemäß sehr rasch Meinungsänderungen in der Bevölkerung. Es ist z. B. ganz erstaunlich zu sehen, welche starke Reaktion man bei maßgeblichen Gewerkschaftern auf eine Handvoll Gewerkschaftsaustritte im Gefolge von Hainburg sehen kann.

Ein zweiter österreichischer Vorteil liegt in der Organisation von wirtschaftlichen Interessen in umfassenden Großverbänden.

Die Handelskammerorganisation ist viel umfassender als die der Industrie. Der Mitgliederzahl nach machen kleine Hafner und Installateure - Umweltschutzanlagen bedürfen meist individueller Fertigung - einen viel größeren Prozentsatz aus, als die Industriellen in den Verschmutzerindustrien. Dadurch kann die Vertretung der gewerblichen Wirtschaft in Österreich gar nicht den Umweltschutz ablehnen. Noch viel mehr gilt das vom Wirtschaftsbund, der auch die Freiberufler erfaßt, die tendenziell noch umweltbewußter denken.

Der am wenigsten umweltfreundlich denkende Großverband ist der Gewerkschaftsbund. Gerade wegen des hohen Organisationsgrades vertritt er die Interessen der Großindustrie.

Ein dritter Grund, warum Österreich in Umweltfragen eher besser dastehen könnte als seine Nachbarn, ist die Rechtsordnung. Das gilt insbesondere für die Baumschäden. In Österreich haftet nach Paragraph 364 ABGB ein Unternehmer, der seine Anlage in behördlich konzessionierter Weise „ordnungsgemäß” betreibt, etwa bei Schwefeldioxid-Ausstoß für den verursachten Schaden. Es trifft ihn eine Erfolgshaftung gegenüber Schäden an Grundstük-ken und damit an Pflanzen, selbst wenn die Behörde seine Anlage in bestimmter Betriebsweise genehmigt hat. Die enormen Schadenersatzzahlungen, die das potentiell impliziert, werden wohl die Schadstoffemission rasch reduzieren, wenn bekannt ist, auf welche Schadstoffe die Baumschäden wirklich zurückgehen.

Und das ist der vierte österreichische Vorteil: Personen mit Schadenersatzansprüchen sind nach unserer verbändischen Struktur in Verbänden mit Pfüchtmitgliedschaften. Für diese ist es daher ein leichtes, für ihre Mitglieder oder Gruppen von Mitgliedern den Rechtsweg zu beschreiten, wodurch die Rechtsdurchsetzung erleichtert würde.

Der Autor ist Professor für Volkswirtschaftspolitik und -theorie, Dogmengeschichte und Wirtschaftswissenschaft an der Universität Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung