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Keine Beschönigung!

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Stümperhafte Propheten riskieren es, auf die Nase zu fallen. Mir hat die vorwöchige Prognose von OVP-Stimmengewinnen ein Nasenbluten eingetragen.

Erst ein solches Geständnis legitimiert dazu, auch anderen ihre Irrtümer vorzuhalten. Bedroht, sich im Gespinst solcher Fehleinschätzungen zu verfangen, sind beide Großparteien.

„Ein guter Tag für die SPÖ, für Bundeskanzler Vranitzky und für Fred Si-nowatz“, jubelte SPO-Vor-sitzender Sinowatz in die Fernsehkamera, nachdem schon Zentralsekretär Heinrich Keller den Eindruck zu erwecken versucht hatte, als hätte seine Partei an diesem Tag der Wahlwelt einen Haxen ausgerissen.

Selten hat jemand einen leeren Mund so voll genommen. Die SPÖ hat gegenüber der letzten Nationalratswahl 4J1 Prozentpunkte und zehn

Mandate verloren. Gemessen an der Wählerzahl 1983, betrug ihr Verlust elfeinhalb Prozent. Das soll ein guter Tag gewesen sein?

Die OVP hat lfl5 Prozentpunkte und fünf Mandate eingebüßt; knapp sieben von hundert Wählern des Jahres 1983 liefen ihr davon. Sie liegt damit besser als die SPO, aber wenn man bedenkt, daß diese regiert und jene opponiert hat, ist das natürlich auch eine saftige Niederlage.

Wer das nicht eingesteht, legt den Grundstein für die nächste. Umschminken von Wirklichkeit hat ein gutes Maß zu jenem Ingrimm beigetragen, der diese Protestwahl bestimmt hat.

Wenn man die Nichtwähler und die Ungültigwähler (zusammen fast 14 Prozent) sowie die Wähler von FPÖ, KPO, Grünen und Splittergruppen addiert, kommt man auf knapp 30 Prozent, die weder SPÖ noch ÖVP haben wollten. Das bleibt zwar eindeutig eine Minderheit und disqualifiziert eine Große Koalition selbstverständlich nicht — aber die Großparteien sollen sich daraus doch keinen Erfolg in die eigene Tasche lügen!

Hunderttausende frühere SPÖ-Wähler haben von der Partei genug, auch wenn ein Vranitzky vorne steht. Das sollte deutlich genug sein.

Und zum sechstenmal findet sich nicht einmal eine relative Mehrheit von Österreichern, die der ÖVP die Regierungsführung zutraut. Da sollte ja wohl auch kein Platz mehr für Verniedlichungs-versuche sein. Und am Obmann allein kann ein solcher Mißerfolg nun wirklich auch nicht liegen.

Wahr ist: Immer mehr Österreicher, und nicht nur junge, haben den alten Stil der Politik bis zum Überdruß satt. Daß dieser bei SPÖ wie OVP neuerlich den Wahlkampf beherrschte, war die eigentliche Enttäuschung.

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