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Kompakter Pakt ohne Illusionen

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Mit Pragmatismus in die neunziger Jahre: das ist das Motto der rot-schwar-zen Koalitionsregierung. Nach den „fetten Jahren“ kommt jetzt gesellschaftspolitischer Realismus.

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Mit Pragmatismus in die neunziger Jahre: das ist das Motto der rot-schwar-zen Koalitionsregierung. Nach den „fetten Jahren“ kommt jetzt gesellschaftspolitischer Realismus.

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Auf knapp mehr als hundert Maschinschreibseiten haben die Verhandlungsteams von SPÖ und 0VP niedergeschrieben, wie und in welchen Sachbereichen die neue rot-schwarze Regierung tätig werden will. Fast zwei Monate lang wurde — auch in eigenen Arbeitsgruppen außerhalb der eigentlichen Koalitionsverhandlungen — um einen für beide Seiten annehmbaren Kompromiß gerungen.

Den Schwerpunkt der Vereinbarungen bildet — wie nicht anders zu erwarten war — die Wirtschaftspolitik: die Budgetkonso-

lidierung (nach SP-Leseart) beziehungsweise die Sanierung des Bundeshaushaltes (nach VP-Le-seart) wird gleich mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen angegangen.

In den insgesamt 18 Beilagen zum eigentlichen „Arbeitsübereinkommen“, das selbst nur knapp zwei Seiten umfaßt, wird oft bis ins kleinste Detail hinein den Österreichern vorgerechnet, daß die „fetten Jahre“ bis auf weiteres vorbei sind.

Als Schlüsselbegriffe geistern Modernisierung, Leistungsbereitschaft, Wettbewerb und immer wieder Effizienzsteigerung durch alle diese Papiere. So heißt es zum Beispiel in der Beilage „Wirtschaftspolitik“ unter anderem:

Pensionsberechtigung) treten. Statt der Witwen- und Witwerpension kommt eine „partnerschaftliche Hinterbliebenenversorgung“. Im Klartext: Künftig wird dem Witwer oder der Witwe nicht auch noch die Pension des verstorbenen Partners ausbezahlt, sondern ein jeweils reduzierter Betrag.

Ein kleines Zuckerl findet sich dennoch im Pensionskapitel: die „Möglichkeiten einer etappenweisen Ersetzung der Ruhensbe-stimmungen“ werden überprüft.

In Zeiten, in denen so viel über „Schmarotzer des Sozialstaates“ geredet wird, kann auch nicht mehr das Vorhaben der neuen Regierung überraschen, die „Definitionen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes für Arbeitslosigkeit und Arbeitswilligkeit“ zu überprüfen, „zur Vermeidung von Mißbräuchen“ — wie als Begründung hinzugefügt wird.

Der Sanierungszug

Der „Sanierungszug“ fährt in den nächsten Jahren aber nicht nur auf dieser einen Schiene (Eindämmung der Kosten des modernen Wohlfahrtsstaates), sondern auch auf der Schiene „Privatisierung von Staatseigentum“. So werden unter anderem Teile der Bundesforste oder auch Anteile an den großen, mehrheitlich im Staatseigentum befindlichen Banken „verscherbelt“.

Die von der ÖVP im Wahlkampf vehement verlangte „große Steuerreform“ wird allerdings erst für das Ende dieser Legislaturperiode versprochen. Sie wurde offenbar genauso auf die lange Bank geschoben wie ein zweites wahlkampfbeherrschendes Thema: die Demokratiereform.

Zwar sollen bereits die nächsten Nationalratswahlen auf Basis eines neuen Wahlrechts (rund 100 Wahlkreise mit Direktmandataren, der Rest der Abgeordneten wird über die Parteilisten gekürt) geschlagen werden, die „direkte Demokratie“, sprich Volksbegehren oder Volksabstimmung, ist den Koalitionären — zumindest jenen der SPÖ-Seite — direkt im Hals stecken geblieben.

Auch die Kontrollrechte der parlamentarischen Opposition werden vorläufig nicht wesentlich ausgeweitet, genauso wird den Abgeordneten der Regierungsfraktionen ein diszipliniertes Abstimmungsverhalten abverlangt — wohl auch aus Rücksicht auf die noch .Junge Ehe“ (siehe Kasten „Der Pakt im Wortlaut“ und Gustav Zeillinger „Am Gängelband der Klubobmänner“, Seite 5).

Daß in einem Koalitionspapier alle Maßnahmen zuallererst unter „betriebswirtschaftlichen Aspekten“ gesehen werden, ist bloß auf den ersten Blick ein Nachteil. Denn wenn auch in diesem Arbeitsübereinkommen die großen gesellschaftspolitischen Visionen fehlen, müssen sie deswegen nicht gleich auch unter den Tisch fallen. Da bleibt immerhin der Weg offen für parlamentarische Initiativen.

Vor allem die Beilagen „Schule, Kultur, Erwachsenenbildung und Sport“ sowie „Wissenschaft und Forschung“ eröffnen noch weite Tätigkeitsfelder.

So bleibt zu hoffen, daß der im Regierungsübereinkommen offen zur Schau gestellte Pragmatismus nicht zwangsläufig mit gesellschaftlicher ' Stagnation gleichzusetzen ist.

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