Corona-Krise: Drinnen und draußen
Während die einen auf sich selbst zurückgeworfen sind, riskieren Systemerhalter für sie ihre Gesundheit. Andere sind völlig außen vor. Was uns in der Krise (und danach) zusammenhält.
Während die einen auf sich selbst zurückgeworfen sind, riskieren Systemerhalter für sie ihre Gesundheit. Andere sind völlig außen vor. Was uns in der Krise (und danach) zusammenhält.
Es ist die Zeit der Existenzialisten. Die sozialen Medien gehen über von ihnen, von ihren Daseinsanalysen, Selbstbespiegelungen und Befindlichkeitsstudien in Wort und Bild: Ich im Trainingsanzug beim Homeoffice; ich beim sehnsüchtigen Blick aus dem Fenster; die Kinder und ich beim italo-inspirierten Musizieren auf dem Balkon, beim simplen Zeittotschlagen – oder nach dem ersten handfesten Streit. Und ja, davon wird es in Zeiten behördlich verordneten De-facto-Ausgehverbots noch jede Menge geben. Bis hin zum drohenden Anstieg häuslicher Gewalt.
Das ist die eine Art von Leben, die angesichts der Corona-Bedrohung auszuhalten ist. Die andere Variante zeigt sich draußen vor der Tür, in jener Sphäre, die von denen da drinnen nur mehr im Ausnahmefall betreten werden darf. Hier sind die Ärztinnen und Ärzte am Werk, die Pflegerinnen und Pfleger, Supermarktkassierinnen, Reinigungskräfte, Bus- und LKW-Chauffeure sowie Mitarbeiter der Müllabfuhr. Ihnen allen wurde und wird nun endlich von höchster Stelle gedankt. (Die Bauarbeiter hat man in diesen Reden vorerst noch – bewusst? – vergessen: Dass der Fortschritt von Baustellen wichtiger sein soll als die Gesundheit der dort Tätigen, hat die Gewerkschaft zuletzt zu Recht empört.)
Was ist existenziell notwendig und wertvoll für unsere Gesellschaft bzw. für das individuelle Leben? Wieviel Freiheit sind wir bereit wie lange zu opfern? Und was bedeutet im Ernstfall Solidarität? Diese Fragen erhalten durch die Corona-Pandemie völlig neue Relevanz.
Mikro- und Makrosolidarität
Beginnen wir mit der Freiheit: Dass die Aufhebung von Grundrechten wie der Bewegungsfreiheit hierzulande binnen kürzester Zeit von fast allen mitgetragen wurde, ist zum einen der (überaus professionellen) Krisenkommunikation der türkis-grünen Regierung geschuldet – und einer erfreulich vernünftigen Bevölkerung. Gleichzeitig muss die überraschend leichte Steuerbarkeit eines ganzen Landes mit Verweis auf eine Krise auch nachdenklich stimmen. Was derzeit als Stärke erscheint, nämlich die Bereitschaft, sich ohne großen Widerstand an Regeln und Anordnungen zu halten, könnte schließlich auch missbraucht werden.
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