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Linzer Lehrstücke
Ausgerechnet in Linz, wo 1926 auf einem sozialdemokratischen Parteitag das Linzer Programm, das klassische Dokument des Austromarxismus, beschlossen wurde, spielten sich zuletzt Vorgänge ab, die man nur als Abgesang, ja als Parodie auf diese hehre Tradition verstehen kann. Nicht genug, daß sich die Partei, die einst auf ihre Einheit so stolz war, in Selbstzerfleischung übte und den eigenen Genossen nicht zum Landesrat wählen wollte, sodaß der nach der Perspektive des Linzer Programms längst zum Absterben verurteilte Klassenfeind in Gestalt der ÖVP an das Krankenbett der SPÖ eilen mußte, um ihr durch eine Bluttransfusion das Überleben zu ermöglichen.
Es sollte noch bunter kommen und es sollte demonstriert werden, daß man sich zwar von der Größe des Austromarxismus entfernt, seine Untugend und totalitäre Schlagseite aber beibehalten hat. Man begab sich nämlich, wie weiland Karl Blecha nach mißglückter Wahl des ORF-Generalintendanten, auf „Verräter-Suche". Als Hauptverräter wurde der Klubobmann identifiziert und gescholten.
Vor den angekündigten Konsequenzen schreckte man allerdings zurück; als Sanktion wurde dem Gerügten lediglich eine Entschuldigung auferlegt, die die Krise natürlich nur prolongiert. Dabei war man sich offenbar nicht bewußt, daß dies eine Mißachtung des freien Mandats und der geheimen Abstimmung darstellt und in schlechter alter Manier der Parteiräson Vorrang vor allen anderen Überlegungen gegeben wird. Auch wandelt man damit in den Spuren des demokratischen Zentralismus Leninscher Prägung, wonach niemand, wenn die Partei entschieden hat, eine abweichende Meinung kundtun darf.
Die wahren Schuldigen an diesem Debakel aber sind der Lan-desparteiobmann, dessen Wahl eine eklatante Fehlbesetzung war, die der SPÖ bei der nächsten Landtagswahl ein noch größeres Debakel bescheren wird - und der Bundesparteivorsitzende, der seine Autorität erst gar nicht strapaziert hat, um in das Verfahren, das so verfahren endete, einzugreifen.
Die Versäumnisse dieser Männer werden deren Nachfolgern
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