6895273-1980_08_15.jpg
Digital In Arbeit

Menschliches und soziales Problem

Werbung
Werbung
Werbung

Das beachtliche wirtschaftliche Wachstum in den sechziger und siebziger Jahren ist bis zu einem gewissen Grad auch den Gastarbeitern zu danken. In Zeiten eines Konjunkturrückschlages war man aber in Österreich immer wieder bedacht, vor allem die Gastarbeiterbeschäftigung einzuschränken.

Auf der anderen Seite sind wir stolz auf unsere niedrigen Arbeitslosenraten. Andere westeuropäische Länder wie die Bundesrepublik Deutschland, die eine etwas höhere Arbeitslosigkeit aufweisen, beschäftigen aber im Verhältnis ungleich mehr Gastarbeiter. "Dort fallen auf einen Arbeitslosen zwei bis drei Gastarbeiter. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaften entwickelt sich ein europäischer Arbeitsmarkt, der zweifellos über das Wirtschaftliche hinaus beitragen wird, auch die sozialen Gegensätze zwischen den verschiedenen europäischen Ländern und Wohlstandszonen auszugleichen.

Auch Österreich hat in diesem Sinne eine europäische Aufgabe. Die Gastarbeiterbeschäftigung wirft schwerwiegende soziale, aber auch menschliche Probleme auf. Es ist einfach sozialethisch gesehen nicht möglich, die Gastarbeiterbeschäftigung nur unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu sehen.

Soweit es aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen möglich ist, sollte mehr als bisher eine Integration jener Gastarbeiter angestrebt werden, die eine dauernde Ansied-lung in jenen Ländern wollen, in denen sie durch längere Zeit hindurch ihre berufliche Tätigkeit' ausgeübt haben. Gerade soweit auch Familien mitgebracht wurden, vollzieht sich diese Integration gerade bei den Kindern im allgemeinen sehr rasch.

Auf jeden Fall ist es notwendig, auch in Österreich die gesamte Problematik der Gastarbeiter als umfassendes Problem einer Gesellschafts-

Politik zu sehen, die über die Landesgrenzen hinausgeht und sich einerseits an ethischen Grundwerten orientiert, anderseits sich aber auch der europäischen Verpflichtungen eines neutralen Staates bewußt ist. Gerade am internationalen Flüchtlingsproblem zeigt sich, daß die Gastarbeiterfrage aber heute auch weltweite Dimensionen annimmt.

Ohne einer „Überfremdung" das Wort zu reden, muß die Integration einer bestimmten Anzahl von Gastarbeitern gerade in einem Staat mit stagnierender Bevölkerungsentwicklung nicht zuletzt auch aus bevölkerungspolitischen Gründen als positiv angesehen werden.

Uber alle Nützlichkeitsstandpunkte hinweg geht es hier aber letztlich auch um ein Problem der sozialen Gerechtigkeit, die nicht mit der

Staatsbürgerschaft zusammenhängt, sondern die sich aus einem wenn auch nur befristeten Arbeitsverhältnis heraus ergibt. Dazu kommen zweifellos auch wirtschaftliche Gründe, so die Möglichkeit einer längerfristigen Disposition der Unternehmungen mit einem überschaubaren Arbeitskräftepotential in der staatlich organisierten Volkswirtschaft.

Die katholische Soziallehre hat immer wieder darauf verwiesen, daß es innerhalb eines Staates keine dauernde Ungleichheit geben darf. Mit gleichem Nachdruck wurde wieder-Hblt hervorgehoben, so in der „Enzyklika Populorum progressio" und in den „Sozialen Dokumenten" des II. Vatikanischen Konzils, daß es nicht nur darum gehe, die Gastarbeiter zu beschäftigen, sondern ihnen auch eine menschenwürdige Lebensführung zu ermöglichen.

DDDr. Alfred Klose ist Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und Universitätsdozent für Gesellschaftspolitik

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung