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Milchglas statt Transparenz

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Als Neo-Kameralistik qualifizierte ein satirisch gestimmter Beobachter den Regierungsstil von Frau Minister Leodolter, der nach einer einjährigen Pause des Viel-Redens, aber Wenig-Tuns in einen hektischen Aktionismus einmündete.

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Als Neo-Kameralistik qualifizierte ein satirisch gestimmter Beobachter den Regierungsstil von Frau Minister Leodolter, der nach einer einjährigen Pause des Viel-Redens, aber Wenig-Tuns in einen hektischen Aktionismus einmündete.

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Dabei schälten sich zwei grundlegende Züge neuer österreichischer Gesundheitspolitik (mit dem Akzent auf der Politik) mit zunehmender Deutlichkeit heraus: nämlich erstens die Tendenz, organisatorische Weichen so zu stellen, daß wesentliche Entscheidungen „kameralistisch“, das heißt ohne Mitwirkung und ohne Wissen der Öffentlichkeit erledigt oder wenigstens weitgehend vorbereitet werden können, und zweitens eine ebenso starke Tendenz, Verbesserungsvorschläge der Opposition unmotiviert abzuschmettern.

Anders denn als ein Ersetzen der durchsichtigen Kristallfenster neuer, von Bruno Kreisky vor der Wahl versprochener Transparenz durch undurchsichtiges Milchglas vermögen sich Fachleute die Zweckbestimmung des geplanten Gesundheitsinstitutes nicht vorzustellen. Denn während das vom Schattenminister der ÖVP, Primarius Wiesinger, seinerzeit vorgeschlagene Krankenhausinstitut einen sehr wichtigen Teilbereich der Gesundheitspolitik, nämlich die Krankenhausplanung und -Verwaltung, effizienter gestalten sollte, ist der Aufgabenkreis des nunmehr geplanten Gesundheitsinstitutes so ne-bulos und großzügig gezogen, daß er sich weitgehend mit den Aufgaben des Gesundheitsministeriums selbst zu decken scheint.

Welchen Zweck könnte aber eine solche Parallelität zwischen den Aufgaben eines Ministeriums und eines vom Ministerium abhängigen Institutes dieser Art haben? Organisatorische Verbesserungen, gesteigerte Effizienz, wird sich von solcher Zwei-geleisigkeit kaum ein gelernter Österreicher erhoffen. Aber wer die taktischen Überlegungen eines gestandenen Parteipolitikers nachzu-vollziehen vemag, wird in einer solchen Konstruktion einen gewaltigen Vorteil erkennen. Ein Ministerium, so könnte sich der Schöpfer eines solchen juristischen Wechselbalges gesagt haben, unterliegt der parlamentarischen Kontrolle, während ein Ministerium bekanntlich nicht gezwungen werden kann, über die Tätigkeit eines ihm unterstehenden, von ihm abhängigen, eventuell auch in weitgehender Personalunion mit dem Ministerialapparat betriebenen Institutes Auskunft zu geben. Also eine Transparenzverhinderungserfindung? Daß die ÖVP als Vorgänger der roten Alleinregierer in freilich kleinerem Rahmen einschlägige Vorbilder gegeben hat, kann Österreichern, denen es nicht um parteipolitische Stellungsgewinne, sondern um eine wirkungsvolle Gesundheitspolitik geht, dabei wenig trösten.

Ein weiteres Indiz für die Wahrscheinlichkeit solcher Überlegungen Ist die Tatsache, daß sich unter den abgeschmetterten Verbesserungsvorschlägen der Opposition auch die Forderung befand, den Posten des Leiters eines solchen Institutes öffentlich auszuschreiben. Und dies, obwohl die Ausschreibung wichtiger Positionen im Zentrum der sozialistischen Wahlversprechungen stand.

Die ÖVP erwartet sich von der sozialistischen Gesundheitspolitik jedenfalls gesellschaftspolitische Weichenstellungen von solchem Ausmaß, daß sie, wie der ÖVP-Pressedienst (sprachlich nicht ohne Komik) drohte, „bei einer Änderung der politischen Verhältnisse dann ganz einfach gekehrt werden müßten“.

Erfolg hatte die große Opposition und ihr Gesundheitsfachmann Wiesinger mit der Kritik an der geplanten — und ziemlich skandalösen — Bestimmung, wonach das Gesundheitsinstitut (und nicht etwa das parlamentarisch kontrollierbare Ministerium!) persönliche Daten über die Staatsbürger anfordern kann, ohne daß sie einem Schutz unterliegen. Der ÖVP gelang es, eine Klausel einzufügen, daß solche Daten nur unter Sicherung der Privatsphäre weitergegeben und auf Antrag auch dem Betroffenen zugänglich gemacht werden müssen. Klüger wäre es möglicherweise gewesen, wenn die Opposition die Forderung gestellt hätte, daß solche Datenanforderungen für Zwecke des Instituts nur Über das Ministerium erfolgen können. In diesem Fall wäre nämlich die parlamentarische Kontrolle solcher — möglicherweise dubioser — Transaktionen mit persönlichen Intimdaten der Staatsbürger möglich gewesen. Während es nun offenbar dem Takt eines unkontrollierbaren und intransparenten Institutes überlassen bleiben wird, was es unter der „Sicherung der Privatsphäre“ versteht.

Alarmierend könnte dabei sein, daß auch der an sich harmlos klingende Vorschlag, das Gesundheitsinstitut müsse jährlich einen Tätigkeitsbericht an das Parlament erstatten, niedergestimmt wurde. Was plant die Frau Minister mit einem Institut, das nicht einmal pro Jahr einen Tag der offenen Tür für die gewählten Vertreter des Volkes abzuhalten braucht? Ein Nest für den „Großen Bruder“ Orwellscher Prägung? Es muß nicht so sein. Aber es könnte so sein.

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