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Nur noch Schlafstädte?
Den Entwurf eines Assanierungsgesetzes will Bautenminister Moser in nächster Zeit von den zuständigen Stellen begutachten lassen: Damit soll die Rechtsgrundlage geschaffen werden, um abgewohnten Stadtvierteln den Garaus machen zu können und an die Stelle dieser eher rasch dem Verfall entgegengehenden Gebäudekomplexe neue Wohnblöcke zu setzen.
Den Entwurf eines Assanierungsgesetzes will Bautenminister Moser in nächster Zeit von den zuständigen Stellen begutachten lassen: Damit soll die Rechtsgrundlage geschaffen werden, um abgewohnten Stadtvierteln den Garaus machen zu können und an die Stelle dieser eher rasch dem Verfall entgegengehenden Gebäudekomplexe neue Wohnblöcke zu setzen.
Gleichsam in einem Kopf-an-Kopf- Rennen gehen auch bei der Volkspartei die Arbeiten einer Expertengruppe dem- Ende entgegen: Dort bastelt man an einem Stadtemeue- rungsgesetz, von dem behauptet wird, es packe das Problem weit tiefer an der Wurzel als das sozialistische Gegenstück.
Heute stehen in Österreich im Jahr 50.000 neuen Wohnungen rund 19.000 Wohnungen gegenüber, die im gleichen Zeitraum verfallen. Seit vielen Jahren ist man sich daher bewußt, daß die nicht mehr zu rettenden
Stadtviertel durch neue zeitgemäße Verbauungen ersetzt werden müssen, wozu es allerdings gesetzlicher Grundlagen bedarf. Hier setzte freilich die politische Auseinandersetzung bis tief in den weltanschaulichen Bereich ein und verhinderte bislang jede Lösung des überständigen Problems. Sah man „links” die einzige Chance im gesellschaftlichen Zwangseingriff — also in der Enteignung, so witterte man „rechts” darin den Versuch, unter dem Deckmantel der Assanierung dem verhaßten privaten Hauseigentum den
Todesstoß zu versetzen. Mit anderen Worten: Man glaubte Grund zur Annahme zu haben, es sei das eigentliche Ziel der Sozialisten, das Wohnungswesen zu vergesellschaften.
Umdenken?
Was bisher vom Entwurf des sozialistischen Assanierungsgesetzes bekannt wurde, läßt den Schluß zu, daß in den radikalen Wein inzwischen doch etwas gemäßigtes Wasser gegossen worden ist. Wie man hört, soll die Durchführung von Assanierungsmaßnahmen vorerst Genossenschaften überlassen bleiben. Die Enteignung sei, so wird beteuert, nur der letzte Ausweg, um zu verhindern, daß eine moderne Lösung durch unvernünftigen Starrsinn einzelner Hauseigentümer in einem Assanierungsgebiet verhind- -’ wird. Bautenminister Moser will den Gemeinden in dieser Angelegenheit fast alle Trümpfe in die Hand spielen.
Die Gemeinden sind es nämlich, die nach seinem Konzept feststellen, welche Gebiete zu assanieren sind, wann und in welchem Umfang dies geschehen soll.
Geht man nun von der Tatsache aus, daß das Assanierungsproblem besonders für Wien gilt, und bezieht man in die Überlegungen die dominierende Rolle der mit absoluter Mehrheit in Wien ausgestatteten Sozialisten ein, dann ergibt sich zwingend der Schluß, daß sie es sind, die letztlich entscheiden, ob die Assanierung auch zu einem Instrument gesellschaftspolitischer Ziele werden wird. Das macht die Sache komplizierter, denn damit wird klar, in welchem Ausmaß eine solche Regelung vom Grundsatz von „Treu und Glauben” abhängig ist.
Die Volkspartei umschifft die Frage der Enteignung und schlägt die Bildung von „Miteigentümergemeinschaften” vor, die die notwendigen Emeuerungsmaßnahmen durchführen sollen. Die Volkspartei spricht nicht von Assanierung, sondern von Stadterneuerung. Es geht ihr darum, daß nicht nur alte ausgewohnte Viertel geschleift und durch neue Wohnanlagen ersetzt werden sollen, sondern ein Gelände nach neuzeitlichen Erkenntnissen so zu verbauen ist, daß dort nicht nur Wohnviertel entstehen, sondern Stadtteile mit allen notwendigen Einrichtungen, die über das bloße Wohnen hinaus dem Städter die Befriedigung aller Lebensbedürfnisse innerhalb d:°ses neuen Viertels ermöglichen: Man meint darunter Kinos, Schulen, Geschäfte, Sportplätze, Ruhezonen. Die ÖVP will die Entscheidung nicht nur dem anonymen Apparat der Gemeindeadministration überlassen, sondern begehrt ein Mitspracherecht für die Bewohner des Assanierungsgebietes. Sie wünscht die Durchführung von Architektenwettbewerben, um die besten Lösungen zu finden. Sie setzt voraus, daß ein genauer Finanzierungs- und Zeitplan ausgearbeitet wird, und tritt dafür ein, daß niemand durch notwendige Maßnahmen geschädigt, niemand um seine Existenz gebracht wird.
Es wäre jedenfalls verhängnisvoll, würde man die ausgewohnten Stadtviertel, denen man ein Eiger’eben — mag es auch wenig trostreich sein — keineswegs absprechen kann, durch erschreckend monotone Schlafstädte ersetzen will, wie sie sich etwa in Kagran oder anderen großflächigen Verbauungen am Stadtrand präsentieren.
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