Ich kenne ihn seit Jahrzehnten – als Kollegen und Freund. In unterschiedlichen Medien beschäftigt, hat uns viel verbunden. Bis ich gespürt habe: In interreligiösen und integrationspolitischen Fragen hat er mich zunehmend aus der Distanz – und als riskanten Naivling angesehen.
Über unserem bisher letzten Heurigen-Besuch stand seine Überzeugung, mit dem islamischen Vormarsch samt Alkoholverbot würden auch die Buschenschanken verboten. Und das Auftauchen einer muslimischen ORF-Journalistin mit Kopftuch hat er als „linksradikal-islamistische Agitation und Kampfansage an die Seher“ verurteilt.
9/11, Globalisierung und ihre digitale „Blasen“-Bildung haben dann mehr und mehr Polarisierung und Angst vor kultureller Entfremdung wachsen lassen: Bei einem Islam-Vortrag hat mich ein Zuhörer nach dem wahren Autor des Koran befragt – um schreiend selbst zu antworten: „Es war der Satan!“ Und in der Wiener „Urania“ mussten wir die Polizei holen.
Unter diesen Vorzeichen ist 2015 die Flüchtlingskrise ausgebrochen. Mit widersprüchlichen Folgen: Hier die türkis-blaue Koalition, dort ungezählte, meist kirchlich fundierte Solidaritätsgruppen – als Versuch, in Respekt und Empathie die gemeinsame Zukunftsfähigkeit auszuloten.
Vergiftete Debatten
Wohin uns diese gesellschaftspolitische Spannung seither geführt hat, das ist gerade in der Vorwoche überdeutlich geworden: Vergiftet wie selten waren die Debatten. Hier „Grenzen dicht!“ – dort „Mehr Humanität!“ Hier „Kein Geld für Erpresser Erdoǧan!“ – dort „Nicht alles, was die Türkei tut, ist polemisch abzuwehren!“ Hier: „Grenzbalken runter!“ – dort „Nur gemeinsam sind wir Europa!“ Unüberbietbar aber die Forderung: „Asylrecht aussetzen“, ja „Waffen und Tränengas an Österreichs Grenzen!“
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!