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Opas Vormundschaft

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„Der Bär ist los“, umschreibt ein prominenter Funktionär des österreichischen Bundesjugendringes die augenblickliche Hektik am Wiener Friedrich-Schrnidt-Platz. Aber wie immer, wenn im Ring etwas los ist, beschäftigt man sich mit sich selbst.

Anlaß für die jüngsten Reibereien ist der Verband Sozialistischer Mittelschüler (VSM), der bei der Mutterpartei in Ungnade gefallen ist. Bekanntlich haben Kreiskys „Rotzlöf-fel“ — so „Staberl“ in der „Kronen-Zeitung“ — in Wien ein Flugblatt unter die Leute gebracht, in dem kundgetan wurde, „daß nur durch die Zerstörung des israelischen Staates“ der Frieden im Nahen Osten erreicht werden könne. Kreisky selbst scheute vorerst Konsequenzen und begnügte sich damit, die Beziehungen zum parteieigenen Mittelschülerverein „stillzulegen“.

Allerdings sagte sich die „stillgelegte“ VSM-Führung postwendend von der Partei los. Und dann ging es Schlag auf Schlag: Eher undurchsichtig wurde eine außerordentliche Bundesversammlung einberufen, plötzlich gab es zwei VSM-Führun-gen, — eine parteitreue und eine „unabhängige“.

Bis zu diesem Zeitpunkt war das VSM-Problem ein SPÖ-internes. Dann aber ahnten auch die vom „Parteifluch“ beladenen Jungsozialisten, daß es mit zwei VSM-Vereinen seinen Haken hat: Nur ein VSM kann nämlich via Bundesjugendring die finanziellen Mittel aus dem Bundesjugendplan in Anspruch nehmen. Also begaben sich jene, denen die SPÖ selbst zu „reaktionär“ ist, unter die Fittiche des schwarz-rot dominierten Ringes.

Der Bundesjugendring, jetzt also zum Schiedsrichter für SPÖ-interne Auseinandersetzungen berufen, hat keinen leichten Stand, noch dazu, wo die Meinungen quer durch die Funktionärsgruppen gehen: auf der einen Seite drängen jetzt die sozialistischen Organisationen auf eine harte Gangart gegen den mißliebigen VSM, während beispielsweise die Junge ÖVP genüßlich auf dem Standpunkt beharrt, daß man nicht zulassen dürfe, daß die Opa-Organisation die Sprößlinge bevormunde und ihnen sogar noch eine Führung aufzwinge.

Anderseits hat Unterrichtsminister Sinowatz als Herr über die Bundes-jugendplan-Gelder bereits der Diskussion eine neue Wendung gegeben. Er ließ, wie jetzt bekannt wurde, die Geldzuweisungen an den VSM einstellen. Aber auch mit anderen Mitteln versucht man die Junggenossen klein zu bekommen: So beklagen diese, daß sich die „Zentralsparkasse“ — auf höhere Weisung hin — weigere, die alte VSM-Führung vom Konto abheben zu lassen.

Da sich aber von der Hand in den Mund auch mit revolutionären Phrasen nicht leicht leben läßt, strebt man eine rasche Lösung des Problems an, noch dazu, wo sich ein tragbarer Kompromiß abzeichnet: für eine weitere Mitgliedschaft des VSM im Ring, egal mit welcher Führungsgarnitur, ist eine ordentliche Meldung' bei der Vereinsbehörde nötig, noch dazu muß der VSM den Nachweis erbringen, daß er die Statuten des Bundesjugendringes formell und materiell erfüllt. Mit anderen Worten: er muß mindestens 2000 Mitglieder in mindestens fünf Bundesländern nachweisen können. Außerdem muß er sich zu den Grundsätzen des Ringes bekennen, also zur österreichischen Neutralität, zur Verfassung und zur Rechtsstaatlichkeit. Welchem VSM aber die Erfüllung aller Auflagen möglich ist, kann heute noch nicht gesagt werden.

Mit VSM-Parolen sind die Jugendi liehen aber auch noch in einem anderen Problem konfrontiert: Kreiskys Jugendkomitee für Vietnam, das mit großem Aufwand aus der Taufe gehoben wurde, droht für den Kanzler zu einem Debakel zu werden. Ein „provisorischer Ausschuß“ des Nationalkomitees der Vietnam-Hilfe hat Grundsätze ausgearbeitet, die im Ton den antiamerikanischen VSM-Parolen der Vorzeit gleichen. Doch wurde bekannt, daß Bundeskanzler Kreisky bei der Sozialistischen Jugend interveniert haben soll, damit sein Vietnam-Komitee doch noch weiter am Leben bleibt.

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