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Rieglers Wille
Die Fregatte „ Ö VP Wien " hat wieder einen Kapitän. Bei der jüngsten TV-„Pressestunde" hat Heinrich Wille erstmals Segel gesetzt. Am hohen Wellengang hat sich noch nichts geändert. Ein Himmelfahrtskommando in Richtung Bermuda-Dreieck?
Wir werden sehen. Ehrgeizigen Propheten bieten sich alle Möglichkeiten einer Blamage an, positiv wie negativ. Die ersten Eindrücke sind nicht so übel.
Schon auf dem Sonderparteitag am 19. Jänner hatte der erfolgreiche Rechtsanwalt Fingerspitzengefühl und Augenmaß gezeigt. Sein Verzicht auf eine Statutenänderung wies ihn als beweglichen Pragmatiker aus. Die Argumente gegen eine reine Führerpartei hatte seine Mitbewerberin Sigrun Schlick klar und würdig vorgetragen.
Aber das durch Intrigen, Klamauk und krasse Unfähigkeit von Spitzenmanagern der Partei genervte und gedemütigte Parteivolk lechzte nach einer starken Hand. Die Privilegien- und Machtverteidiger der alten Garde mußten sich gesehlagen geben.
Jetzt kommt es darauf an, daß Wille es versteht, behutsam das Steuerrad zu drehen: Eine Kurskorrektur ist unverzichtbar. Tendenziell war der Kurs unter Erhard Busek natürlich richtig gewesen: Öffnung, Liberalisierung, Internationalisier ung, geistige Weite, Toleranz, Einheit in Vielfalt.
Was Busek nicht zuwegebrachte, war die Motivierung des Parteiapparates für diese Ziele. Aber ohne Organisation verhungern auch die schönsten bunten Vögel. Wille muß sich um die letzten idealistischen, arbeitswilligen, aber nicht durchwegs intellektuellen Höhenflügen zugetanen Mitarbeiter(innen) hart bemühen. Er braucht sie. Mehr geistigen Hochmut, als sie zu spüren glaubten, vertragen sie nicht mehr.
Gleichzeitig muß er aber gegenüber Intellektuellen, Künstlern, Alternativdenkern und unorthodoxen, selbstbewußten, parteischeuen Aufsteigern Signale setzen. Wenn man der Wiener ÖVP nahekommt, darf man nicht nur den Wirtshausmief der Lueger-Zeit an ihr erschnuppern.
Wille, Rieglers Wunschkandidat, wird es da nicht leicht haben. Ebenso schwer wird es sein, sich gegen eine Rathausmehrheit zu profilieren, von der man sich zielmäßig nur noch wenig und auch in den Wegen nicht mehr grundlegend unterscheidet. Wahr ist, daß die Wiener SPÖ seit Busek-Zeiten vielfach ÖVP-Politik betreibt. Aber auch das bringt noch keine ÖVP-Stimmen.
Willes Dilemma ist dem Josef Rieglers stark verwandt. Beide haben das offene Meer noch lange nicht erreicht. Aber ohne sie wäre die ÖVP um einiges noch ärmer.
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