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„Römische Kälte

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Es ist nicht so schlimm, wenn man erst in Rom erfahren muß, daß der Papst niemals Vertreter politischer Parteien empfängt. Es ist nicht so schlimm, wenn nach äußerst ergiebigen und fruchtbaren Beratungen mit Vertretern der Democrazia Cristiana der Abschluß, eben die Audienz beim Papst, ins Wasser fällt. Es ist nicht so schlimm, daß die Vertreter der ÖVP nicht wußten oder nicht wahrhaben wollten, daß die Organisation der DC eben eher mangelhaft ist (jetzt wissen sie's hoffentlich).

Unwissende aber freuen sich diebisch; während Kardinal König dem ÖGB seine Reverenz erweist, müssen Schleinzer & Co. unverrichteterdinge abziehen. Während die einen „Ätsch“ sagen, meinen die anderen, daß es jetzt endgültig mit der Unparteilichkeit der Kirche vorbei sei, denn immerhin hat ja der Papst bereitwilligst Bruno Kreisky und seine agnostischen Gesinnungsfreunde empfangen, während brave Katholiken in der römischen Kälte stehen gelassen wurden. Noch dazu, da doch Kardinal König in seinem Vortrag vor Gewerkschaftern betonte, daß die Kirche aus der Vergangenheit gelernt habe und peinlichst jedes neuerliche politische Engagement vermeiden wolle.

Stellungnahmen wie diese gehen freilich am Kern der Angelegenheit vorbei; immerhin war es nicht Gehässigkeit seitens des Heiligen Stuhls, sondern die konsequente Beobachtung der zweifellos richtigen Regel des Vatikans, Vertreter politischer Parteien niemals offiziell in ihrer Funktion als Parteiführer zu empfangen.

Jedermann weiß, daß der Papst jederzeit bereit ist, jeden Katholiken zu empfangen — als Privatmann, als Gläubigen. Anderseits ist er als Souverän auch verpflichtet, Regierungsvertreter aus aller Welt zu empfangen.

Spott muß sich jedoch die ÖVP gefallen lassen, wenn es um die Organisation dieser mißglückten Audienz geht. Nur grenzenlose Sorglosigkeit kann diese Panne erklären. (Bei entsprechenden Kontakten hätte man sich leicht , über die diplomatischen Spielregeln des Vatikans informieren können und die Parteispitzen wären dann ganz einfach in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete des österreichischen Nationalrats vom Heiligen Vater empfangen worden.)

Pannen wie diese werfen leider ein schiefes Licht auf eine Partei, die sich in ihrer Oppositionsrolle profilieren will. Denken wir ein bißchen zurück in jene Zeit, als die SPÖ auf den Oppositionsbänken saß. Da war fast täglich zu bemerken, wie sehr sich die SPÖ ihre eigenen Fehler (Fußach, Zei-tungsputsch, KPÖ-Wahlempfeh-lung, Olah-Affäre) zu Herzen genommen hatte. Ein neues Parteimanagement konnte erfolgreich der österreichischen Bevölkerung Kreiskys neuen Stil vorexerzieren. Die ÖVP läßt diesen neuen Stil noch immer vermissen, und das in einer Ziet, in welcher die Regierungspartei zunehmend nervös wird und bereits den Mannen um Bruno Kreisky, aber auch dem Kanzler selbst, Schnitzer unterlaufen sind. Verweigerte Fragebeantwortung im Parlament und die unentschuldbare Entgleisung unseres Landwirtschaftsministers Weihs anläßlich des Grazer Wahlergebnisses sind symptomatisch dafür, daß auch die einst so selbstsichere SPÖ bereits von Unruhe erfaßt ist. Reziprok dazu sollte man eigentlich erwarten, daß sich die Volkspartei endlich „erfangen“ könnte.

Massenparteien heutigen Stils können, besonders wenn es sich noch dazu um „pluralistische“ Parteien handelt, nicht mehr ohne ein entsprechendes Parteimanagement das Auslangen finden. Das hat Franz Hasiba in Graz vorexerziert; sollte sich die Bundesparteileitung da nicht ein Beispiel nehmen?

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