Ideologische Pandemien: Weniger recht haben – mehr Richtiges tun
Der Gefahr ideologischer Pandemien entkommen wir am besten mit einem möglichst nüchternen Blick auf die aktuelle Lage. Eine Replik auf Stephan Schulmeister.
Der Gefahr ideologischer Pandemien entkommen wir am besten mit einem möglichst nüchternen Blick auf die aktuelle Lage. Eine Replik auf Stephan Schulmeister.
Als John Maynard Keynes, der wohl einflussreichste Ökonom des letzten Jahrhunderts, einmal gefragt wurde, warum er einen bestimmten Sachverhalt nun plötzlich anders sehe, antwortete er seinem Visavis trocken: „Aus einer veränderten Informationslage ziehe ich neue Schlüsse – wäre das bei Ihnen denn anders?“ Dieser Appell, sich an Realitäten statt an ideologischen Fixierungen auszurichten, passt gut zur aktuellen Situation.
Schon bei der Bewältigung der Finanzkrise 2008 war es hilfreich, mit bis kurz davor noch undenkbaren Maßnahmen – von Garantien für Spareinlagen bis zu Hilfspaketen für das als Rückgrat der Realwirtschaft unverzichtbare Bankensystem – dafür zu sorgen, dass sich die Katastrophe der Weltwirtschaftskrise nicht wiederholte. Auch bei der Bekämpfung der darauf folgenden Staatsschuldenkrise lohnte es sich, alte Dogmen zurückzulassen und mit unkonventioneller Notenbankpolitik sowie der Einrichtung des permanenten Rettungsschirms ESM den Zusammenbruch der Eurozone zu verhindern.
Durchrasen steiler Lernkurven
Die Covid-Krise stellt nun die Bereitschaft, pragmatisch zu handeln, auf einen noch viel härteren Prüfstand. Die dramatischen ökonomischen und sozialen Folgen zwingen zu budgetpolitischen Klimmzügen, die alle vorangegangenen fiskalischen Stresssituationen als leichte Fingerübungen erscheinen lassen. Allein für Österreich belaufen sich die ausbezahlten Stützgelder aus dem Bundeshaushalt bereits auf das Vierfache der Kosten der Bankenkrise. Nur gut, dass Österreich wie Deutschland zu jenen Eurostaaten gehört, deren vernünftige Budgetpolitik der Vorjahre es dank des Flankenschutzes durch Nullzinsen ermöglicht, wenigstens die ärgsten wirtschaftlichen und sozialen Folgeschäden abzufangen.
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