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Veränderte Europäer

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Die Schweizer Philosophin Jeanne Hersch tritt in einem FURCHE-Interview (siehe Seite 4) für einen Zusammenschluß der europäischen Länder zu regionalen Föderationen ein, die dann eine „Superföderation" bilden sollten. Für das neue Europa stellt - wie sie sagt - die Jugoslawienkrise kein gutes Omen dar.

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Die Schweizer Philosophin Jeanne Hersch tritt in einem FURCHE-Interview (siehe Seite 4) für einen Zusammenschluß der europäischen Länder zu regionalen Föderationen ein, die dann eine „Superföderation" bilden sollten. Für das neue Europa stellt - wie sie sagt - die Jugoslawienkrise kein gutes Omen dar.

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(fvschlfmg)-Bei den europäischen Integrationsbemühungen muß Westeuropa den föderalistischen Weg gehen, betont Hersch gegenüber der FURCHE. „Es darf weder zu zentra-listisch noch zu schwach sein, sondern muß eine starke Einheit bilden: wirtschaftlich, militärisch und politisch." Die Integration muß nach den Worten der Philosophin aber unter dem Vorbehalt stehen, „daß jedes Land, das dazugehört, föderalistisch gesprochen, es selbst bleibt".

In diesem Zusammenhang verweist sie auf das Subsidia-ritätsprinzip. Entscheidungen sollten wenn immer möglich auf einer unteren Ebene getroffen und erst, wenn es keine Einigung geben sollte, nach oben hin abgegeben werden. Die Schweiz ist für Jeanne Hersch ein Beispiel für das Funktionieren eines neuen Europa.

Wenn Europa föderalistisch lebt, dann besteht nach Ansicht Herschs keine Gefahr eines sogenannten multikulturellen Einheitsbreis. „Die Schweizer Kantone haben zum Beispiel ihre Eigenständigkeit nicht verloren. Wir spüren das jetzt noch ganz stark - trotz der langen Geschichte der Eidgenossenschaft. Auch durch Reisen verändern wir uns, durch unstere Erfahrungen und Begegnungen mit anderen Kulturen."

Deswegen sei es „ein künstliches Argument", vordem man keine Angst zu haben brauche, daß die drei Hauptkulturräume der Schweiz in die Sogwirkung der Nachbarländer geraten und von diesen völlig absorbiert werden könnten. „Wenn unser Geist und unsere Art zu denken, sich erweitert, ist das nur positiv. Ich kann niemanden verstehen, der einen engen Horizont hat. Ob Deutscher oder Franzose, man soll sich selbst treu bleiben, aber auch nicht willkürlich Unterschiede verschärfen." Nur Tiergattungen blieben durch die Zeit identisch, der Mensch als geschichtliches Wesen verändere sich durch und mit den anderen.

Ohne Föderalismus kann die Schweiz nicht leben, betont Hersch, denn dann gebe es nicht mehr dieselbe Auffassung von Freiheit. Die Frage der Neutralität stelle sich aber anders: „So hat sie sich zur Zeit, als das Land von Hitler bedroht wurde auf andere Weise als heute -inmiften von Demokratien - gestaltet. Und wieder anders würde die schweizerische Neutralität in einem Europa mit föderalistischen Ländern aussehen. Es geht in erster Linie darum, daß die Schweiz weder einen Krieg mit anderen führen noch sich ihrer Entscheidungsfreiheit begeben will."

Bei der Schaffung eines neuen Europa müsse beachtet werden, daß man kein Europa ohne Vergangenheit schaffen könne, denn alte Erinnerungen seien wach geblieben. Bei Europa-Gesprächen sollte jedes Land aber daran denken, daß es nicht nur um die eigene, sondern vor allem um die gemeinsame Zukunft gehe.

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