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Digital In Arbeit

Vom Prozeßrechner zum Maschinensklaven

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Daß Entwicklungen aus der Raumfahrt direkt zum Montageroboter in der Industrie führen können, zeigen Arbeiten, die am Institut für Dynamik der Flugsysteme in Oberpfaffenhofen (BRD) durchgeführt wurden. Diese Forschungen haben besonderes Gewicht, weil es in der Industrie zwar schon viele Fertigungsautomaten, doch noch keine kommerziellen Montageroboter gibt. Roboter können eben noch lange nicht alles. Was sie aber heute noch nicht können, verweist zugleich auf ihre zukünftigen Möglichkeiten und einen gewissen Trend zur Menschenähnlichkeit.

Wo die Entwicklung hinzielt, beschreibt Dr. Lothar Schmieder in den „DFVLR-Nachrichten“ zunächst am Beispiel des durch direkten menschlichen Eingriff gesteuerten Teleopera-tors. Darunter kann man sich einen mehr oder weniger kompletten maschinellen „Sklaven“ vorstellen, der etwa aus zwei Gelenkarmen mit Greifzangen und einer schwenkbaren Fernsehkamera als „Kopf besteht. Er wird von einem menschlichen „Meister“ durch Bewegungen gelenkt, die dieser in einer Art Ritterrüstung (Exoskelett) vormacht und die von ihr genau auf den „Sklaven“ fernübertragen werden.

Trotz aller Nützlichkeit solcher Systeme beim Einsatz in Arbeitsbereichen wie der Raumfahrt oder der Kernenergie, in denen Menschen nicht oder nur unter größter Gefährdung eingesetzt werden könnten, sind die Nachteile nicht zu übersehen. Selbst einfachste Arbeitsvorgänge dauern so zehn- bis hundertmal länger, und die Steuerungsprobleme sind auch deshalb beträchtlich, weil die Rückmeldung der Sklavenaktionen zum „Meister“ sehr genau sein muß und gar ein regelrechter „Tastsinn“ dafür noch nicht entwickelt ist. Hinzu kommt beim Einsatz in der Raumfahrt der Umstand, daß jeder Arbeitsschritt durch die Signallaufzeiten noch weiter verzögert wird. So benötigt etwa ein lichtschnelles Funkkommando mit Rückmeldung zum Mond 2,6 Sekunden, zum Mars - je nach dessen Position - aber bis zu 30 Minuten.

Wie spezielle Indüstrieautomaten müssen deshalb auch menschenähnliche Montageroboter zumindest dann, wenn sie in der Industrie eingesetzt werden sollen, vom Menschen unabhängig werden. Und das heißt, daß man sie für ihre jeweilige Arbeit „dressieren“ können muß. Dazu müssen ihre Bewegungszustände und Kraftwirkungen in jedem Augenblick durch Sensoren gemessen und durch Rechner erfaßt werden, die Gliedmaßen und Gelenke, die sie ausführen, mit größter Präzision gefertigt sein. Schon heute gibt es Gelenke, die eine Wiederholungsgenauigkeit der Bewegung im ganzen Arbeitsbereich zulassen, die zwischen 0,2 und 0,4 Millimeter liegt. Daraus ergibt sich die für eine „Dressur“ (Teach-in-Verfahren) notwendige Bewegungspräzision und Wiederholbarkeit: Jeder Arbeitsprozeß kann durch feinabgestimmte Bewegungen der Rob'otergliedmaßen von einem Fachmann „eingeübt“ und dabei zugleich in allen Einzelheiten von einem Rechner erfaßt und gespeichert werden, der diesen Bewegungsablauf später im Fertigungsprozeß ständig steuernd wiederholen wird.

Aus dieser Kombination technischer Eigenschaften in einer teilweise menschenähnlichen Maschine resultiert ein fundamentaler Entwicklungssprung: Mit Hilfe des Rechners kann man aus ein und demselben Gerät sehr verschiedene Fähigkeiten hervorzaubern, ohne an der Mechanik irgend etwas ändern zu müssen. Wichtig ist dabei nur, daß die verwendeten mechanischen Geräte und Sensoren möglichst universal sind, damit die Anpassung an immer neue Spezialisierungen im wesentlichen durch den Prozeßrechner erfolgen kann. Diese gleichsam „geistige“ Anpassung ermöglicht anscheinend auch bei Robotern die schnellstmögliche Entwicklung. „Die Überlegenheit, die der1 Mensch mit dem gegenüber allen Tieren am weitesten entwickelten Gehirn und dem am wenigsten spezialisierten Körper besitzt, ist wahrscheinlich auf diesen Sachverhalt zurückzuführen.“ Wie Schmieder weiter kommentiert, liegt der Schwerpunkt der Roboterevolution deshalb wohl überwiegend bei den Rechnerprogrammen.

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