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Was der Nord-Süd-Dialog enthält

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Über die Schlußsitzung der „Brandt-Kommission“ auf Schloß Laudon in Wien, berichtete der Vorsitzende in einer abschließenden Pressekonferenz im Presseclub Concordia. Zu einzelnen Konfliktbereichen des Nord-Süd-Dialogs führte Willy Brandt unter anderem aus:

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Über die Schlußsitzung der „Brandt-Kommission“ auf Schloß Laudon in Wien, berichtete der Vorsitzende in einer abschließenden Pressekonferenz im Presseclub Concordia. Zu einzelnen Konfliktbereichen des Nord-Süd-Dialogs führte Willy Brandt unter anderem aus:

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Rüstung und Dritte Welt: Zum Ansteigen der Rüstungsausgaben in den Entwicklungsländern muß man objektiverweise anführen, daß einiges davon die Dritte Welt selbst gar nicht initiiert, sondern daß es ihr von Waffenproduzenten der entwickelten Welt buchstäblich aufgeredet wird. Dann liegt ja auch auf der Hand, daß diejenigen unter den Entwicklungsländern, die viel Geld haben, sich auch mehr Rüstung leisten können als andere.

Unsere Kommission hat dazu zu sagen: Gibt es eine Chance oder gibt es sie nicht, in den vor uns . liegenden Jahren die Probleme von Rüstung und Entwicklung miteinander zu koppeln. Ich zweifle daran, daß die Menschheit dieses Jahrhundert überlebt oder halbwegs heil überlebt, wenn der Rüstungswettlauf ungehemmt weitergeht.

Kommunistische Staaten und Dritte Welt: Die Entwicklungsländer haben in letzter Zeit wiederholt betont, daß sie nicht nur mit dem Westen des Nordens, sondern mit dem gesamten Norden zu tun haben, wollen. Bei Gesprächen mit osteuropäischen Spitzenpolitikern habe ich sehr wohl ein Interesse festgestellt -vor allem an den Bedingungen, unter denen in Zukunft Welthandel betrieben werden soll. Auch mit der Volksrepublik China hat die Kommission bereits Kontakte hergestellt. Das ist bis jetzt aber nur der Beginn eines Beginns.

Wir ziehen diese Länder in unsere Betrachtungen ein und wir meinen, daß sich die Vereinten Nationen in Richtung einer Globalisierung des Dialogs in Nord-Süd-Fragen hinentwickeln werden müssen.

Wirtschaftliche Entwicklung: Es gilt für den weiten Bereich der Beschäftigungspolitik überhaupt - und das ist uns im Norden noch nicht klar genug -, wie sehr es auch im eigenen Interesse der Industrieländer hegen muß, an der stärkeren wirtschaftlichen Entwicklung der südlichen Regionen mitzuwirken. Denn teilweise werden schon die Arbeitsplätze unserer Kinder, auf jeden Fall die unserer Enkel, in viel stärkerem Maße davjsn abhängen, wie sich die Wirtschaften in anderen Teilen der Welt entwickeln.

Es ist neben den humanitären Aspekten und den Solidaritäts-Gesichtspunkten also ein ganz schwergewichtiges eigenes Interesse mit im Spiel.

Nord-Süd-Konferenzen: Wir haben uns nicht vorgenommen, eine Weltregierung einzusetzen oder auch zu übernehmen. Aber es ist ganz sicher, daß zu dem, worüber wir reden, Elemente einer gemeinsamen Weltverantwortung gehören. Ich glaube, es wird vielleicht schon in einigen Monaten notwendig sein, daß sich abweichend vom bisherigen UN-Gesamtschema Regierungschefs oder deren höchste Gesandte zusammensetzen müssen. Und wenn globale Lösungen angestrebt werden, müssen auch die Politiker aus der Dritten Welt und dem Osten dabei sein.

Globale Lösungsmodelle: Jene Leute haben sich jedenfalls übernommen, die früher einmal daran geglaubt haben, daß es eine Weltkultur zu entwickeln gelte, beziehungsweise daß alle so hübsch werden sollten wie wir. Es wird immer mehr Leute in der Welt geben, die von verschiedenen Ausgangspunkten kommen und sagen: jeder hat sein eigenes Modell zu entwickeln, also auf keinen Fall eine Weltkultur, wohl aber die Absteckung eines gemeinsamen Rahmens.

öffentliche Meinung und Entwicklungshilfe: Die öffentliche Meinung irrt, wenn sie glaubt, die Entwicklungshilfe sei weggeworfenes Geld: Für jede 100 Mark, die etwa die deutsche Bundesregierung in die Weltbank steckt, kriegt sie 120 Mark in Form von Aufträgen zurück. Selbst für jede 100 Mark Entwicklungshilfe kriegt die Bundesrepublik zwischen 70 und 80 Mark in Form von Lieferungen zurück. Wir verschenken als Staat also viel weniger, als angenommen wird.

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