7023495-1989_02_13.jpg
Digital In Arbeit

Wege in die Zukunft

Werbung
Werbung
Werbung

Was bringt die Zukunft? Welche Maßnahmen sind fällig? Gerhart Bruckmann, Pionier der langfristigen Entwicklungsforschung, in einem neuen Buch zur Lage Österreichs.

„Mega-Trends“ - ein Wortungetüm, das durch das gleichnamige Buch von John Naisbitt weltberühmt geworden ist, soll jene prägenden Zeitströmungen bezeichnen, die der Mensch grundsätzlich zur Kenntnis zu nehmen habe und die „den Rahmen für unseren Entscheidungsspielraum darstellen“.

Nur Trends zu beobachten und sich an sie anzupassen, sei jedoch keinesfalls der angemessene Zugang zur Gestaltung des Morgen, stellt Bruckmann zu Beginn seiner Ausführungen klar. Vielmehr

gelte es, die voraussichtlichen Folgen unterschiedlicher Strategien zu erkennen, um zielführend handeln zu können.

Dabei käme man — trotz zunehmender Kritik an der Wissenschaft - nicht ohne dieses Instrument aus. Allerdings sei eine unseren heutigen Problemen angemessene Form von Wissenschaft erforderlich: Schluß mit dem einseitigen Spezialistentum. „Innerhalb der Wissenschaften erfordert die entstandene Gesamtproblematik den Generalisten.“ Interdisziplinäre Zusammenarbeit sei ein Gebot der Stunde, wolle man der Komplexität heutiger Systeme Rechnung tragen.

Ohne die Erforschung der langfristigen Folgen von Maßnahmen sei es in Zukunft auch nicht mehr sinnvoll, Politik zu machen. Österreich müsse darauf reagieren, fordert Bruckmann. Die Einrichtung einer Zentralstelle für Langfriststudien, die ein eigener Kanzleramtsminister auf Regierungsebene in die politischen Entscheidungen einbringen sollte, wäre eine angemessene Lösung.

Eine der wichtigsten Aufgaben sei die Erarbeitung einer umfassenderen Sicht für wirtschaftliche Tätigkeit. Derzeit werde immer noch ein möglichst hohes Sozialprodukt als erstrebenswertes Ziel angesehen — egal, ob es auf Kosten unserer Substanz (unserer Umwelt) erzeugt wird.

„Mehr“ heiße längst nicht mehr auch „besser“, weil wir in vielen Bereichen an Grenzen stoßen. Hierin „liegt das erforderliche Umdenken begründet, der Wertewandel, der für uns immer mehr zur Uberlebensfrage wird“. Das gelte besonders für ein kleines Land, das im vorherrschenden Trend zur Massenware auf Dauer nicht mithalten könne, sondern auf andere Fähigkeiten setzen müsse: auf die Qualifikation seiner Arbeitskraft, auf die Innovationsfähigkeit seiner Bürger.

In einer Zeit weitverbreiteten

Uberflusses müsse das Hauptaugenmerk wirtschaftlicher Tätigkeit nicht mehr auf die Ver-, sondern auf die Entsorgung gelegt werden. Hier funktioniere aber die Steuerung über den Marktmechanismus allein vielfach nicht angemessen. Um bei Fragen der Entsorgung zu besseren Lösungen zu kommen, bedürfe es eines wohlüberlegten Systems von Anreizen und Verboten.

Wie dringend in diesem Bereich Maßnahmen sind, zeige das Beispiel der Landwirtschaft, die durch das heutige System in die Rolle einer umweltzerstörenden Quasi-Industrie gedrängt wird.

Hier bedürfe es - wie in anderen Bereichen auch - einer wohlüberlegten und koordinierten Neuausrichtung, die keineswegs im Gegensatz zu marktwirtschaftlichen Prinzipien steht, sondern über eine Veränderung des Steuersystems Einfluß auf das Verhalten von Produzenten und Konsumenten nimmt: An die Stelle der Mehrwertsteuer sollte die Besteuerung von Energie- und Rohstoffeinsatz treten (Zitat im Kasten).

Die bisher von der Koalitionsregierung durchgeführte Steuergung, die bisher in den Kraftwerksbau gewandert waren. Immer noch entfielen nämlich sinnvolle Energiesparmaßnahmen, weil „die Energiepolitik in unseren Ländern einseitig auf Kraftwerksbau konzentriert ist“.

Teil einer solchen neuen Energiepolitik wäre selbstverständlich auch die Förderung des im Vergleich zum Individualverkehr energiesparenden Massen-, sprich Schienenverkehrs.

Hier sieht Bruckmann vor allem Maßnahmen im Bereich der Organisation als dringend erforderlich an: „Wenn ein Transport mit der Schiene eine Woche dauert, mit dem LKW aber einen Tag, dann ist die Bahn auch dann nicht konkurrenzfähig, wenn durch technische Großbauten die betreffende Bahnstrecke verkürzt oder durch neue Lokomotiven die Fahrt beschleunigt wird.“

Die stärkere Berücksichtigung ökologischer Aspekte sei jedenfalls keineswegs im Widerspruch zu ökonomischen Anliegen, denn „Ökologie ist Ökonomie auf weitere Sicht“.

Leider werde das heute oft dadurch verschleiert, daß tatsächlich bei gewissen wirtschaftlichen Tätigkeiten auflaufende Kosten einfach unter den Tisch fallen. Typisch dafür ist die Kostenrechnung des Atomstroms. Da werden weder die Kosten des Abwrak-kens, des jahrtausendelangen

Uberwachens der hochradioaktiven Rückstände oder der gesundheitlichen Risken der Bevölkerung miteinbezogen.

Das Verdrängen von Folgewirkungen müsse endlich aufhören, fordert Bruckmann. Und die beste Methode dazu sei die Einrichtung von Kreisläufen, in denen die Stoffe möglichst geschlossen zirkulieren können. Also nicht Produzieren - Gebrauchen - Deponieren; sondern Abfallvermeidung durch Begünstigung von

Wiederverwertung, wo immer es geht.

Die stärkere Berücksichtigung der Zukunft stelle auch Anforderungen an unser Bildungssystem. An die Stelle des vorherrschenden analytischen müsse endlich ein ganzheitlicher Zugang zu den Lehrinhalten treten. An die Stelle der statischen müsse die dynamische Betrachtungsweise und an die Stelle der rückwärtsschauenden die vorwärtsgerichtete, stellt Bruckmann im Anschluß an einschlägige Arbeiten des Club of Rome fest.

Auch müsse der Schüler aus der Rolle des Einzelkämpfers befreit und zur Teamarbeit erzogen werden. An die Stelle des „Erlernens von Faktenwissen, das rasch veraltet“, müsse in der Schule das Lernen und Urteilen-Lernen treten. Lebenslange Bildung müsse auf dem Programm stehen.

Daß all das auch die Politik vor Herausforderungen stellt, versteht sich von selbst. Das gehe jeden einzelnen von uns an, meint Bruckmann. Wer sich vor allem Durchsetzung von Sonderinteressen erwarte, müsse umdenken. Der Staat sei nicht für alles zuständig.

Andern müßten sich aber auch die Politiker: „Die bisherige Art,

Politik ohne Bürger oder gegen den Bürger zu machen, geht nicht mehr.“ Sie führe zu der derzeitigen Politikverdrossenheit. Wohin diese führen wird? Wohl kaum zur Entstehung einer neuen ins Gewicht fallenden politischen Kraft. Hoffentlich aber zur Erneuerung der bestehenden Parteien, in denen man schon heute eine neue Konstellation beobachten könne: Der „Koalition der Verhinderer“ stehe eine der „Sanierer“ gegenüber, quer über die politische Landschaft hinweg.

MEGATRENDS FUR OSTERREICH. Wege in die Zukunft. Von Gerhart Bruckmann. Ueberreuter Verlag, Wien 1988. 180 Seiten, 68 228.-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung