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Als Möglichmacher in das Parlament

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Ein liberaler und grüner Vordenker als Kandidat der ÖVP: Wie will der Wissenschaftler und Neo-Politiker Bruckmann den Zwängen der Alltagspolitik entkommen?

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Ein liberaler und grüner Vordenker als Kandidat der ÖVP: Wie will der Wissenschaftler und Neo-Politiker Bruckmann den Zwängen der Alltagspolitik entkommen?

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FURCHE: Die ÖVP definiert sich immer wieder als christdemokratische Partei mit einem starken liberalen Flügel. Wird dieser liberale Flügel durch Ihre Kandidatur jetzt stärker?

GERHART BRUCKMANN: Ich bin evangelisch und ich bekenne mich zum prinzipiellen liberalen Gedankengut. Ich bin allerdings kein Paläo-Liberaler im Sinn des Manchester-Liberalismus. Ich bekenne mich voll zur Sozialen Marktwirtschaft in dem Sinn, daß es beim heute erreichten materiellen Wohlstand eigentlich eine Schande ist, wenn es noch materiell unterprivilegierte Gruppen gibt.

Ich bin deshalb für ein dicht geknüpftes soziales Grundnetz - die Betonung liegt auf Grundnetz.

Aber dies allein genügt heute nicht. Denn was hilft es, wenn in einem Haus brav gearbeitet wird, die Arbeitenden auch den Nichtarbeitenden im Haus — insbesondere Kindern, Kranken und Alten — ihr angemessenes Entgelt von ihrem Verdienst geben, wenn gleichzeitig das Haus selbst zusammenfällt.

Aus diesem Grund trete ich für die Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft zu einer ökosozialen Marktwirtschaft ein. Für mich ergibt sich daraus die Priorität: zuerst kommen die Uberlebensfragen, dann die Produktionsfragen und danach erst die Verteilungsfragen.

FURCHE: Unsere verstaatlich-telndustrie ringt heute ums Uberleben. Wie wollen Sie dort Ihrem öko-sozialen Marktwirtschaftskonzept zum Durchbruch verhelfen?

BRUCKMANN: In die Frage der verstaatlichten Industrie bin ich noch nicht ausreichend eingearbeitet, um mit Patentrezepten aufwarten zu können. Nur eines steht fest: die Weichen hätten dort schon viel früher gestellt werden müssen — weg von der rohstoffintensiven und umweltbelastenden Grundstoffindustrie und hin zu mehr gehirnintensiver Industrie.

FURCHE: Dos nützt heute den 10.000 VOEST-Arbeitern, die entlassen werden, nur wenig.

BRUCKMANN: Selbst wenn es bereits zehn Minuten nach zwölf wäre, sollten wir besser heute als morgen mit den nötwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen beginnen. Ein Umstrukturierungskonzept, das in die von mir gewünschte Richtung zielt, reduziert letztlich auch die Umweltproblematik.

FURCHE: Und Sie fürchten kein Rufer-in-der- Wüste-Schicksal?

BRUCKMANN: Die Zeit hat bereits sehr stark in Richtung grundsätzliches Umdenken gearbeitet. Die Erkenntnis ist heute so groß wie nie zuvor, daß ein Weiterwursteln mit ein bißchen mehr Umweltpolitik hier und ein bißchen dort nicht mehr genügen kann.

FURCHE: Inwiefern ändert sich nach Ihrem Einstieg in die Politik auch Ihre Einflußmöglichkeit auf die konkrete Politik?

BRUCKMANN: Bis jetzt habe ich als ein der Parteipolitik fernstehender Wissenschaftler gerufen. Ich nehme an, daß es gerade diese Rufe waren, die Alois Mock bewogen haben, mir das bekannte Angebot zu machen.

Ich habe dieses Angebot zu kandidieren schließlich deshalb angenommen, weil jemand, der sich seit langem um eine verbesserte Wirtschafts- und Sozialpolitik für Österreich in Wort und Schrift bemüht, die moralische Verpflichtung hat, ja zu sagen, wenn ihm die Chance geboten wird, an dieser Verbesserung der Politik konkret mitzuwirken.

FURCHE: Wie wollen Sie Ihre politische Arbeit im Parlament mit Ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit eigentlich unter einen Hut bringen?

BRUCKMANN: Zur Fortführung meiner Aufgabe an der Universität bin ich von Gesetzes wegen verpflichtet. Allerdings sind die Aufgaben eines Universitäts-professors weitgehend flexibel zu gestalten. In der Lehre habe ich mich bis jetzt nie auf das gesetzliche Minimum beschränkt, das werde ich zumindest in der nächsten Zeit tun müssen. Die Forschung wird allerdings zu kurz kommen, denn irgendwoher muß ja die Zeit für die parlamentarische Tätigkeit genommen werden.

Und was das Parlament betrifft: am liebsten würde ich in allen Ausschüssen mitarbeiten. In erster Linie verstehe ich mich aber als „Möglichmacher“. John Naisbitt hat in seinem Buch „Me-gatrends“ davon gesprochen, daß unsere Zeit in zunehmendem Ausmaß solche „Möglichmacher“ braucht. Das sind Menschen, die darüber nachdenken, wie sie die richtigen Leute wo zusammenbringen, damit irgend etwas zustande kommt.

So will ich es im Parlament auch halten: wenn irgendeine Problematik auftaucht, die eine sozial-, wirtschafts- und umweltpolitische Komponente hat, könnte ich mir vorstellen, daß es nützlich wäre, die Grenzen der traditionellen Ausschüsse zu überschreiten und ein paar Abgeordnete über die Fraktionen hinweg zusammenzubringen, um gemeinsam zu überlegen, wie man in den Ausschüssen konzentriert zur Lösung dieses Problems vorgehen könnte. Mit genau dieser Vorgangsweise habe ich als Dekan an der Universität schon manches zustande bringen können.

FURCHE: Bricht also auch im Parlament verstärkt eine Ära der Kooperation an?

BRUCKMANN: Ich träume von einer Allianz der Vernunft, einer Allianz des Denkens, die das Längerfristige vor dem Kurzfristigen sieht, das Gemeinsame vor dem Trennenden und das Ganzheitliche vor dem Speziellen.

FURCHE: Wie werden Sie's mit dem Klubzwang halten?

BRUCKMANN: Meine große Stärke in der Politik liegt in der Tatsache, daß ich keine Polit-Karriere anstrebe. Ein hypothetisches Beispiel: würde die ÖVP etwa einen bindenden Beschluß pro Kernenergie fassen, dann überließe ich der ÖVP die Entscheidung, mir entweder eine Gegenstimme zu konzedieren oder mich aus meinem Mandat ausscheiden zu lassen. Ich kann jederzeit voll an die Universität zurückkehren. Das sage ich, ohne irgendeinen Druck ausüben zu wollen und ohne jede Schärfe.

Insofern bedeutet der Klubzwang für mich gar kein Problem.

Mit dem Wiener Universitätsprofessor für Statistik und ÖVP-Nationalratskandidaten Gerhart Bruckmann sprachen Christof Gaspari und Tino Teller.

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