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Welche Katholiken?

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Es war wieder die .Arbeiter-Zeitung“ (3. Juni, „Katholiken positiv zum SP-Programm“), die die Aufmerksamkeit auf den Kommentar der Katholischen Sozialakademie (KSÖ) zum neuen Parteiprogramm der SPÖ gelenkt hat. Nach der Meinung der Sozialakademie enthält dieses Programm keine Bekenntnisse, Forderungen oder Vorschläge, gegen die „grundsätzlich“ Einspruch erhoben werden müßte.

Nun sind die Grundsätze des Programms im allgemeinen so weit gefaßt, daß vielleicht wenige, aber immerhin doch einige zum Widerspruch herausfordern. Das christliche Menschenbild ist ein realistisches, das einer darauf aufbauenden Gesellschaftslehre verbietet, utopische Ziele zu versprechen, die mit der Natur des Menschen unvereinbar sind. Es macht auch eine „umfassende Chancengleichheit“ unmöglich, wir müssen uns mit einer möglichst weitgehenden Annäherung der Startbedingungen begnügen, ja in Erziehung und Bildung sogar Talente fördern, die sehr unterschiedliche Chancen geben.

Auch die Ansicht des SP-Pro-gramms, daß die Rechtsordnung ein .juristischer Überbau der ökonomischen Struktur der Gesellschaft“ ist, ist für die Sozialakademie kein Anlaß zum grundsätzlichen Einspruch, sondern wird als „Rest von antiquiertem Marxismus“ lediglich als „eine gewisse Schlagseite“ bagatellisiert.

Ein kapitaler Mißgriff der KSÖ ist ihre Meinung, daß man auch der Analyse unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems in diesem Programm die „Zustimmung schwer wird versagen können!“ Daß das gegenwärtige Wirtschaftssystem darin als „Kapitalismus“ bezeichnet wird, ist zunächst nur eine Frage der Terminologie, entscheidend ist, wie das System beschrieben wird. Da wird etwa die abenteuerliche Behauptung aufgestellt, daß in dieser unserer heutigen Wirtschaftsordnung gesellschaftliche Bedürfnisse übergangen werden, wenn deren Befriedigung keinen Gewinn verspricht.

Als ob es heute nicht weite Bereiche staatlicher Verantwortlichkeit für die Entwicklung einer geeigneten Infrastruktur (einschließlich der Anreize zu einem entsprechenden Investitionsverhalten der privaten Unternehmungen) geben würde. Daß die Invesitionsent-scheidungen „nicht auf Grund gesellschaftlicher Planung zustande kommen“ - wie das Programm bedauert - ist gut so.

Daß „neue Formen der Armut“ entstehen, weil die Betroffenen nicht von den großen Interessenverbänden vertreten werden, ist nicht der Fehler einer „kapitalistischen Wirtschaftsordnung“ sondern ein Mangel des Wohlfahrtsstaates, in dem viele durch die Maschen des Sicherheitsnetzes fallen oder materielle Sorge allein nicht ausreicht. Es ist ferner einfach nicht richtig, daß heute Arbeit nur nach dem Einkommen bewertet wird, das sie schafft, viele akademische Berufe sind dafür ein Beispiel.

Das internationale Währungssystem hat wahrhaftig nicht die Wirtschaft, sondern haben die Regierungen „zerrüttet“, die außerstande (und oft auch gar nicht willens!) waren und noch nicht sind, eine auf höchstmögliche Stabilisierung des Geldwertes abgestellte Wirtschaftspolitik zu koordinieren. Die „drohende Massenarbeitslosigkeit und die Grenzen herkömmlicher Wirtschaftspolitik“ werden heute nicht „von reaktionären Kräften dazu benützt, die Krise der kapitalistischen Wirtschaft als Krise des Staates darzustellen“, die heutige weltweite Rezession wird von vielen fachkundigen Beobachtern zurecht als die Folge illusionärer Bestrebungen überforderter Regierungen angesehen, durch eine rasch wechselnde und ineffiziente Hüh-und-Hott-Politik den Wirtschaftsablauf zu glätten.

Diese falsche Identifizierung unseres heutigen (sicher noch sehr verbesserungsbedürftigen) Wirtschaftssystems mit einem historisch längst überholten Kapitalismus hindert die Sozialisten daran, das gegenwärtige System realistisch zu sehen. Die Auseinandersetzung mit einem System von Vorgestern hindert sie auch daran - sei es aus Blindheit, sei es (wahrscheinlich) aus Taktik - sich mit dem Ordnungssystem der Sozialen Marktwirtschaft zu beschäftigen, deren Konzeption heute schon zahlreiche und erfolgreiche Lösungsvorschläge anzubieten hat.

Daß man vom Standpunkt der christlichen Gesellschaftslehre aus den „ordnungsethischen Grundvorstellungen“ des neuen Programms der österreichischen Sozialisten zustimmen kann, gilt sicherlich für manche und vielleicht nicht wenige Grundgedanken, wohl aber nicht für das ganze Programm schlechthin.

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