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Digital In Arbeit

Zurück zur Schönheit!

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Was ist schon? Aut diese tur die künstlerische Arbeit gerade heute so wichtige Frage suchten Fachleute und Künstler in der FURCHE (Nr. 51/52/82) eine Antwort. Die Diskussion zu diesem Thema wird nun mit den Beiträgen zweier Philosophen fortgesetzt.

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Was ist schon? Aut diese tur die künstlerische Arbeit gerade heute so wichtige Frage suchten Fachleute und Künstler in der FURCHE (Nr. 51/52/82) eine Antwort. Die Diskussion zu diesem Thema wird nun mit den Beiträgen zweier Philosophen fortgesetzt.

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Wir haben das Schöne an den Rand gedrängt. Wer in den gar nicht mehr schönen Künsten das Schöne als Maß, etwa gar für das, was ein Kunstwerk zum Kunstwerk macht, einfordert, setzt sich dem Verdacht aus, einem längst überholten Ästhetizismus oder Romantismus anzuhängen. Ganz zu schweigen von jenem Triumph des bloß Funktionalen oder Nütz-

liehen, der unseren Lebensraum bis zur Unkenntlichkeit verändert hat. Beton, Asphalt und Flurbegradigung treiben auch hier das Schöne ins Abseits des Naturparkes oder Reservates. Schönheit ist kein Maß unseres Handelns oder Seins mehr.

Dazu kommt die weitgehende Orientierungslosigkeit ästhetischer Zielvorstellungen, die heillos gewordene Diskussion um das, was als schön gelten könnte — bis Schönheit endgültig in die Subjektivität des Geschmackes und die Wandelbarkeit und Unverbindlichkeit des ästhetischen Ur- teiles abgedrängt wird. Was immer von der Kunst verlangt wird — soziale, politische, heilbringende oder sonstige Funktionen machen einander den Platz streitig-, das Ins-Werk-Setzen des Schönen ist in der Epoche nach Adornos Ästhetik sicher nicht darunter, sieht man von einigen wenigen Versuchen ab.

Ist es da verwunderlich, daß die Schönheit im unüberschaubar gewordenen Getriebe unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit nur noch ein Ornament, eine bloße Zutat, ein vernachlässigbarer Luxus zu sein scheint?

Spätestens in der Aufklärung ist die Ganzheit der menschlichen Weltorientierung auseinandergefallen: Erkenntnis, (moralisch orientiertes) Handeln und Kunst haben ihre voneinander unabhängige Eigenentwicklung genommen. Die das Denken der Antike prägende Einheit von Wahrem, Gutem und Schönem, spaltet sich in Wahrheit als Domäne des (wissenschaftlichen) Erkennens, des Guten als normativ zu ermit telnden Ziels des Handelns und der Schönheit als Frage des Geschmacks und der Ästhetik. Dabei gerät das Schöne immer mehr auf die Seite des beurteilenden, empfindenden, goutierenden Subjekts.

Kants berühmte Formel „schön ist was ohne Begriff allgemein gefällt“ ist hiefür ebenso Indiz wie das „interesselose Wohlgefallen“, der Ästhetizismus ebenso typisch wie die ausdrückliche Betonung des Eigensinnes des Kunstwerkes im ,,1’art pour l’art“.

Die Schönheit wieder in die Mitte unseres Seins einholen wollen, bedeutet darum weder eine Beschwörung der Einheit des Wahren, Guten und Schönen, noch ihr Einspannen in ideologische Zwecksetzungen ä la sozialistischer Realismus oder blinde — sich innovatorisch gebärdende — Negation alles Bestehenden.

Schönheit als politische Kategorie einfordern bedeutet: eine Politik, die nicht nur „schön“, sondern zugleich für uns alle gut ist. Und das ist die Schönheit, die uns allemal noch zu ergreifen, hinzureißen und auch zu verändern vermag, ohne daß damit schon entschieden ist, was als schön zu gelten habe. Denn die Schönheit ist als solche weder nur an und in unserem Erleben, noch haftet sie objektiv an den Dingen als deren Eigenschaft. Sie ist ein wesentliches Sinngeschehen, das unsere ganze Existenz und ihren Bezug zur Welt betrifft.

Gelegentlich sind wir in ihrer Mitte und spüren ihre übergreifende, uns alle betreffende Kraft — auch wenn wir dies nicht in begriffliche Kategorien oder Konstruktionen zu bringen vermögen. Wir sollten sie wieder zu einem Maß unseres Seins werden lassen.

Der Autor ist Professor für Philosophie an der Universität Wien.

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