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Der Staat und was mehr ist
Der Balte Robert Saitschick gehört neben dem 1909 verstorbenen Schweizer Karl Hilty und dem traumatischen Preußen F. W. Foerster zu jenen überkonfessionellen christlichen Denkern, die seit etwa 50 Jahren auch in die katholische Landschaft hereinsprachen und in ihr gehört wurden. — Das vorliegende Werk, gedacht als Beitrag zur politischen Erziehung, versucht die ewigen Ordnungsideen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens zu verkünden, und das einmal gegen jede Spielart des „Doktrinarismus“, der die Wirklichkeit verkennt, vergewaltigt oder gar „wissenschaftlich“ mißbraucht — Weisheit gegen jede „verdunkelnde Begrifflichkeit“! —; dann gegen alle Formen der baren Gewalt und „Macht“, die im Instinkt und nicht im Geist wurzeln; und nicht zuletzt gegen jede grundsatzlose „Realpolitik“, die ohne sittliche Ueberlegung und frappiert vom Vordergrund die „Interessen“ mit Taktik zu bewältigen sucht. „Die sogenannten Interessen der Völker und Staaten sind, in der Nähe geschaut, doch überaus unwichtig, ja sogar schädlich für die Völker selber.“ (9) Weisheit und Tugend (Plato) müssen wieder die Führung der Politik übernehmen, Gewissen und Freiheit die Entscheidungen treffen; Ordnung, nicht Organisation! „Wenn der Staat nicht auf ein Höheres als er selbst ist, hinweist, ist er stets weniger als er selbst.“ Wir müssen über Comtes Konzeption hinaus. „Das Einfache wurde ihm zum Komplizierten und dieses wieder faßte er zu einfach auf.“ — Aus diesem Geist behandelt Saitschick die immer aktuellen Probleme: Staat und Individuum, Macht und Recht, Staat und Freiheit, Staat und Sittlichkeit, Idee der Gerechtigkeit, Diktatur. Nationalismus, Rassismus, Kollektivismus, Krieg und Frieden. — Und das alles nicht in Form einer wissenschaftlichen Untersuchung oder Systematik. Es sind Meditationen aus vorchristlicher und. christlicher Erbweisheit. Große Gedanken, beschwörend, immer wiederkehrend in ihrer unangreifbaren Allgemeingültigkeit. Aphorismen, die oft Kritik oder Unterscheidung herausfordern, und doch Obersätze erstellen für eine ganze Abhandlung. Meist geistvoll, aber oft schon auch stilistisch mühsam. — Und manchmal hat man den Eindruck, daß den Sechsundachtzigjährigen in Ascona eine leise Ahnung und Trauer beschleicht darüber, daß die Großen vier oder fünf oder zehn, auf die es heute ankommt in der Welt, kaum mehr hinhören, wenn einer der letzten großen Humanisten sie mit Erbweisheit beschwört.
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