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Worauf es ankommt

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„EIN CHOR DER ANTWORTEN“, Glaube und Beruf, herausgegeben von Hans Asperger, Charlotte Leitmaier, Ferdinand A. West-phalen, Verlag Herold, Wien-München 1969, 164 Seiten, S 192.—.

Man würde erwarten, daß ein solches Buch, das den programmatischen Untertitel „Glaube und Beruf“ trägt, versuchte, die verschiedenen Berufe und Sachgebiete auf den Glauben hin auszurichten. Doch das geschieht keineswegs, höchstens erst in der Konsequenz der Ausführungen. Es geht dem Arzt, dem Politiker, dem Soziologen, dem Künstler, der hier jeweils spricht, in erster Linie um den Menschen. „Das tief wahre Wort vom Menschen als der Sinnmitte und der fundamentalen Realität des sozialen Lebens ist zum Schlagwort geworden, das an die Stelle des Bemühens um seine Realisierung getreten ist“, sagt Ferdinand West-phalen in seinem Aufsatz. Solch humanitäre Phrasen gibt es in Hülle und Fülle, „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Wann aber kommen wir zu den Tätigkeitsworten“ (Stanislaus Lee). Das ist eben das Problem, auch innerhalb der Kirche, deren Theologen unentwegt von Mitmenschlichkeit reden. West-phalen zeigt in seinem ungemein vorsichtig differenzierenden und wohltuend kritischen, alle Parolen vermeidenden Essay, worum es bei der Realisierung geht: „Es kommt darauf an, was der Mensch von sich denkt, und zwar denkt über die Tat-

sache hinaus, daß er Konsument eines Lebensstandards ist.“ Und hier wird natürlich notwendigerweise die Glaubensfrage angeschnitten, „mit dem Verlust des Sinnes für die fundamentale Realität der Beziehung des Menschen zu Gott verliert sich :;.ber der Sinn für alle Realität“, und für die Realisierung auf diesem oder jenem Gebiet, in diesem oder jenem Beruf. Das beweisen dann auch die Beiträge über „Mensch und Tier“ (Asperger), über „Das Wahrheitsproblem in der Presse“ (A. Böhm), über „Der Katholik als Politiker“ (H. Drimmel) und beweist in besonderer Weise Erich Huber mit seinen „Entdeckungen im Paradies“. Daß der Künstler hier zu Wort kommt, ist besonders zu begrüßen, denn keiner vermag für Mensch und Gott so einzutreten wie er, der von Berufs wegen über den Lebensstandard hinauszudenken gezwungen ist. Huber rechtfertigt glänzend dieses in ihn gesetzte Vertrauen, indem er ungemein anschaulich aus konkreten Erfahrungen (z. B. seiner Kriegsgefangenschaft im Kaukasus) und aus einem angewandten Wissen der Kunstgeschichte heraus „von der Re-ligio in der bildenden Kunst“ spricht, zugleich aber auch alle menschlichen Lebensbereiche mit-einbeschließt, um sie über die bloße Zivilisierung hinaus zur Kultivierung zu führen, in der Kult und Kunst ihre einzigartige Rolle spielen, und das gerade in einer Zeit eines wissenschaftlichen Sozialismus und ent-sakralisierten Religionsbetriebes.

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