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Meine Korruption - deine Korruption

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Die Provisionsangelegenheit um die Eise n-werke St. Andrä-Wördern hat eine bedenkliche Entartungserscheinung unseres öffentlichen Lebens offenkundig gemacht. Der Volkspartei ist es nun aufgegeben, gründlich im Herbst in ihren/Reihen Ordnung zu machen und gleichzeitig das heikle Problem der Parteifinanzierung zu regeln. Daß das „Bürgertum“, das die OeVP so oft vorgibt, zu vertreten, nicht geneigt ist, eine „bürgerliche“ Partei zu unterstützen, sondern davon ausgeht, es müsse kostenlos vertreten werden, hat diesmal die

Volkspartei wieder in aller Deutlichkeit erfahren müssen.

Gleich bedenklich wie die Angelegenheit um die Eisenwerke ist die Sache mit der V O e E S t. Dazu kommt noch die Angelegenheit Rechnungshof. Diese hohe Behörde untersteht nur dem Nationalrat. Damit soll festgelegt sein, daß der Rechnungshof von allen Einflüssen freizuhalten ist, mögen sie nun ministerieller Natur sein oder von einer Partei ausgehen. Der auffallend kurze Auszug aus dicken Prüfungsberichten des Rechnungshofes über die VOeESt. aber scheint dieser Unbefangenheit zu entbehren. Nun hat die SPOe, was ihr gutes Recht war, in der Sache der Eisenwerke St. Andrä-Wördern eine gewissenhafte Untersuchung verlangt. Leider aber wurde dabei in das schwebende Verfahren eingegriffen. Es wurden Tatsachen publiziert, die den Untersuchungsbehörden im Amtsweg bekanntgeworden waren. Wenn ein Briefträger vom Inhalt einer Postkarte, die er zugestellt hat, Dritten Nachricht geben würde, käme es zu einer Disziplinaruntersuchung. Was ist in der Sache der Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Untersuchungsorgane geschehen? Die OeVP hat es nicht für gut • befunden, die Konsequenzen zu ziehen und die unstatthafte Preisgabe amtlichen Materials, das doch gegen sie verwendet wurde, anzuzeigen, jedenfalls“ ist

— wenn es so weitergeht — der kleinste Beamte,' wie jeder öffentliche Funktionär in Hinkunft berechtigt, amtliches Material zu publizieren, wenn nicht zu verkaufen. Wird er dann zur Verantwortung gezogen, kann er zum Verfassüngs-gerichtshof gehen und darauf hinweisen, daß es sehr hohen staatlichen Funktionären möglich war, ungestraft das Amtsgeheimnis zu verletzen.

Leider hat also die SPOe in der Sache der VOeESt. nicht die gleiche Strenge gezeigt, die sie dies in der Angelegenheit Haselgruber tat. Obwohl es nach Presseberichten um eine aufklärungsbedürftige Summe von etwa 234 Mik lionen Schilling geht. Also um so viel, daß der Unterrichtsminister fast die Hälfte des Schulbauprogramms mit dem „vermeidbaren“ Aufwand zu finanzieren vermöchte! Hätte ein nicht-protegierter Funktionär in der gleichen Weise gewirtschaftet, wäre er schon „entpflichtet“. Die „Koalition einer Stunde“ von SPOe und FPOe (die sonst nur in der Sache Antiklerikalismus zusammengegangen ist) aber war bereit, den „Kurzbericht“ des Rechnungshofes hinzunehmen und die Provisionszahlungen und die anderen dunklen Geschäfte der VOeESt zu genehmigen.

Man kann nicht gut dem Gegner Vergehen vorhalten und in der eigenen Sache Inkorrektheiten die dazu noch erheblich größeren Umfang haben,' geflissentlich übersehen. Wir fürchten nur, daß die Sache in ein Kompensationsgeschäft einbezogen wird, an dem auch die FPOe ihren Anteil zu haben scheint. Die Vergehen, die in Sankt Andrä-Wördern und die in der VOeESt. müssen ihren Richter finden. Daran ist nicht zu rütteln.

Die ärgsten Feinde der Demokratie sind oft Demokraten. Diejenigen, die Korruption begehen. Und die anderen; die Korruptionsfälle bagatellisieren wollen. Selbstverständlich hat auch das System der Diktatoren seine Korruption. Nur erfährt man — mangels Pressefreiheit

— von den Vergehen im „Einparteienstaat“ so gut wie nichts. Die Aufwendungen für den nebenpolizeilichen Apparat, der sich in der Diktatur „Partei“ nennt, ist eine Sache des Staatsbudgets. Die Parteiangestellten sind zugleich Staatsangestellte. Deswegen gibt es das Problem der Parteifinanzierung nur in der Demokratie.

Das Verhalten der SPOe in der Sache VOeESt. aber bleibt uns unverständlich. Wie eine Arbeiterpartei ihre schützende Hand über Manipulationen halten kann, die dem Staat eine Viertelmilliarde kosten, kann mit nichts erklärt werden. Auch nicht mit der „Verbürgerlichung“ der SPOe. Die Sache mit dem Schlagwort „Rufmord“ abzutun und dabei auch noch den Betriebsrat einzuspannen, bedeutet einen Mißbrauch gewerkschaftlicher Einrichtungen. Aber gleichzeitig auch einen Mißbrauch der Grundgedanken des Sozialismus.

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