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Parteiprestige oder Gemeinwohl?

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Entgiftung der öffentlichen Meinung... Entgiftung der öffentlichen Aktion! Immer wieder ist den Spalten der „Furche“ der Ruf nach dem Primat des öffentlichen Interesses über die Sonderinteressen von Bünden, Verbänden undB Parteien, gleich welcher Richtung, erhoben worden. Zeitweise schien es, als ob wirklich schon so etwas wie gemeinstaatliches Empfinden die Sonderziele der Gruppen und Parteien auf das notwendige Maß zurückdränge.

Fälle freilich, wie die “nachfolgende krasse Verletzung der Rechte und Interessen des Volkes, zeigen, daß da im einzelnen noch immer nicht alles zum besten bestellt ist. Der Vorfall am Kärntner Landeskrankenhaus, wie er in uns nachstehender Form von verbürgter Seite geschildert wird, betrifft überdies einen Sektor des öffentlichen Lebens, auf dem die Gemeinschaft direkt und besonders empfindlich getroffen wird: das Gebiet der gesundheitlichen Betreuung des Volkes. Er kann darum nicht scharf genug verurteilt werden.

Das Primariat der gynäkologischen und geburtshilflichen Abteilung des Landeskrankenhauses in Klagenfurt war 1952 frei geworden. Nach erfolgter öffentlicher Ausschreibung fiel die Wahl der Kärntner Landesregierung, die sich damals aus drei Mitgliedern der OeVP, drei der SPOe und einem des VdU zusammensetzte, einstimmig auf den langjährigen Assistenten der I. Universitätsfrauenklinik in Wien (Professor Antoine) Doktor K o 1 o n j a. Diese Wahl erfolgte, weil das Primarärztekollegium und der Landessanitätsrat diesen Facharzt infolge seiner außerordentlich guten fachliehen wie auch charakterlichen Beschreibung durch zahlreiche Mitglieder des Professorenkollegiums der Wiener medizinischen Fakultät einstimmig primo loco vorgeschlagen hatten. Die besondere Eignung erga,b sich nicht zuletzt ■ daraus, daß Dr. Kolonja unter allen Bewerbern der einzige bis zum Dienstantritt in Kärnten aktive Kliniker war. Man konnte annehmen, die Kärntner Landesregierung habe im Interesse des Landes politische Momente nicht in Betracht gezogen, vielmehr bei der Besetzung des Primariats nur das Ziel im Auge gehabt, den geeignetsten Fachmann zum Leiter der Abteilung zu berufen. Dieser Meinung konnte man sein, weil sieh Dr. Kolonja niemals politisch betätigt, weder vor 1945 noch nachher einer politischen Partei oder auch nur dem Interessenverband einer Partei angehört hat. Dr. Kolonja hat nach seiner Ernennung, um die in Kärnten gestellte L e-

bensaufgabe voll erfüllen zu können, sämtliche Brücken zu seiner früheren Tätigkeit abgebrochen, seine Stellung und, auf Anraten hoher Stellen, auch seine Wohnung in Wien aufgegeben, ja selbst auf die Dozentur verzichtet.

Die dem Dienstantritt des neuen Primarius folgenden Ereignisse zeigten nun gleich von Anfang an, daß die Zustimmung der Sozialisten zur Wahl eines unpolitischen „Nur-Fachmannes“ lediglich dazu gedient hatte, das im Dezember 1952 noch nicht durchsetzbare Endziel nicht in Erscheinung treten zu lassen, nämlich die Stelle mit einem Kandidaten der SPOe im geeigneten Zeitpunkt zu besetzen.

Vorerst wurde versucht, den neuen Primarius für die SPOe zu gewinnen. Man legte ihm nahe, und zwar unmittelbar nach Dienstantritt, der SPOe beizutreten, da sich dies für die Festigung seiner Position in Kärnten nur vorteilhaft auswirken werde. Man riet ihm, sich dem Bund sozialistischer Akademiker anzuschließen. Man verwies immer wieder darauf, daß die Zugehörigkeit zur SPOe bzw. zum BSA im sozialistischen Kärnten auch dahin Aus w i rkungen zeitigen werde, daß Dr. Kolonja dann mit großzügigerBehandlungvonUm-bzw. Neubauplänen der Abteilung rechnen könne! Dr. Kolonja ist nun ein „Vergehen“ anzulasten: Er erlaubte sich, diese zunächst nur andeutungsweise, später aber immer dringlicher vorgebrachten Ratschläge mit der Begründung zurückzuweisen, daß für ihn weder jetzt noch in Zukunft Veranlassung bestehe, seine Stellung als Primärarzt mit persönlicher politischer Verpflichtung verquicken zu lassen.

Nun holte man zum Schlage aus. Die SPOe hatte im Februar 1953 die absolute Mehrheit in Kärnten erreicht, konnte daher jetzt das im Dezember 1952 unerreichbare Ziel, einen Sozialisten zum Leiter der Abteilung zu ernennen, verwirklichen. Man veranstaltete vorerst einen Verleumdungsfeldzug. Als Doktor Kolonja auf Umwegen von einigen Beschuldigungen erfuhr und wegen sofortiger Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorstellig wurde, erklärten ihm der sozialistische Landeshauptmann We-denig, der sozialistische Landeshauptmannstellvertreter Kraß-nik und auch der sozialistische Landesamtsdirektor Nevole bei einerVorspracheam 18. M a i 1 9 5 3, daß die Einleitung eines Disziplinarverfahrens abgelehnt

werde, da absolut nichts gegen ihn vorliege; man wisse genau, daßdie vorgebrachten Beschuldigungen jeder Grundlage entbehren, daß es sich nur um u n saubere Motive nicht maßgeblicher Leute handle, deren wildes Um-sichschlagen nicht ernst genommen werde dürfe.

Trotz dieses „Vertrauensvotums“ wurde aber an dem intern gefaßten Beschluß, den neuen Primarius von seinem Posten zu entfernen und die Neubesetzung des Primariats mit einem Sozialisten durchzuführen, festgehalten. Man wartete nur noch darauf, im geeigneten Moment auch offiziell die gegenteilige Stellungnahme beziehen zu können. Durch Verschärfung der Verleumdungskampagne, Pressepolemiken und Einschüchterungen wurde die Stellung sturmreif gemacht.

Knapp vor Ablauf der Probezeit, die nach dem Gesetz vorgeschrieben ist, war es endlich so weit. Das Dienstverhältnis wurde ohne Angabe von Gründen in stürmischer Regierungssitzung nach einer Kampfabstimmung

gegen die Stimmen der OeVP und des VdU 4:3 gelöst. Aber man ging noch weiter; man wartete das Ende der Dienstzeit des Doktor Kolonja nicht ab, ja man wahrte nicht einmal das Gesicht und schrieb etwa die Stelle neu aus. Kurzerhand wurde das Primariat mit einem Kandidaten der SPOe, den man im Dezember 1952 noch nicht hatte durchbringen können, besetzt.

Dieser hier in den wesentlichen Grundzügen aufgezeigte Fall ist eine Warnung; er zeigt wieder einmal, was uns droht, wenn Parteitotalitätsansprüche noch einmal in Erfüllung gehen sollten. Grundlagen unserer Gesellschaftsordnung, wie Disziplin und Ordnung, Landesinteresse, ja bloße persönliche Anständigkeit, würden nichts bedeuten. Einer solchen Entwicklung passiv zuzusehen, bedeutete das Ende unserer Existenz als Rechtsstaat. Eine Sanktionierung solcher Methoden bedeutete nicht die bloße Rückkehr, sondern noch die Uebersteigerung jener totalitären Tendenzen, die uns -in naher Vergangenheit an den Rand der Vernichtung und in nie dagewesene Armut geführt haben.

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