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wenn man aui Reisen geht…

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Wer noch an die Zeit vor dem ersten Weltkrieg zurückdenken kann, als man die ganze Erde — außer Rußland, Türkei und Tibet — ohne Paß und Visum durchreisen konnte, und an den ersten Luftrechtskongreß in Brüssel 1912, der unter dem Zeichen von Fauchilles „L’air est libre!“ stand, muß sich über den Dschungel wundern, in den der Reiseverkehr trotz allen technischen Fortschritts geraten ist.

Einen Maulkorb für den Senator!

Ein amerikanischer Senator hat auf einer Reise durch Afrika die Bemerkung fallenlassen, er habe noch keinen der neuen Staaten gefunden, der sich selbst verwalten könnte. Man mag über das Zutreffen dieser Bemerkung verschiedener Meinung sein, aber ein Reisender ist nicht verpflichtet, nur Richtiges zu sagen. Darauf haben drei Staaten, die er noch gar nicht betreten hatte — nicht etwa gewetteifert, ihn eines Besseren zu belehren —, sondern ihm die Einreise trotz des erteilten Visums verweigert. Das ist aber nichts Nebensächliches, sondern greift an die Wurzeln des Reiseverkehrs. Das Problem ist nicht, ob die Bemerkung zutreffend war, sondern ob ein Reisender, der in einem Lande eine Bemerkung macht, welche die Bewohner oder die Regierung eines anderen Landes verletzen mag, von dem Besuche dieses Landes ausgeschlossen werden darf. Ist das mit Recht auf „freie Meinungsäußerung“ (Art. 19 der Menschenrechtsdeklaration) und den modernen Begriffen des Reiseverkehrs vereinbar?

Um die Frage ein wenig deutlicher zu machen: Dürfte Dean Acheson, der in USA eine kränkende und anfechtbare Bemerkung über England gemacht hat, England nicht mehr besuchen?

Es wäre verfehlt, die Retorsion auf alle Bürger des betreffenden Landes zu erstrecken und sie für die Fehler ihrer Regierung zu bestrafen. Wenn aber die USA bei allen Organen einer solchen Regierung, Beamten, Abgeordneten und Delegierten, prüfen wollten, ob sie jemals abfällige Äuße-

rungen über die USA gemacht haben, und ihnen dann die Einreise verweigern würden, so würden sie vielen verschlossen werden, die sich leicht zu leichtfertigen oder grundlosen Angriffen verleiten lassen.

Auch die Luft ist nicht mehr frei

Auch der Rechtsverwilderung des Flugverkehrs ist man sich nicht so recht bewußt. Aus der Freiheit der Luft ist die Willkür jedes Staates geworden, unter dem Deckmantel der Souveränität den harmlosen Durchflug zu verbieten. So könnten Brasilien und Ecuador den Flugverkehr zwischen den nördlichen und südlichen Ländern unterbinden, Sowjetrußland und ein paar arabische Länder Indien und Australien von Europa abschneiden. Der jüngste Konflikt über die Flugtarife hat gezeigt, daß selbst reife Staaten keine Grenzen ihrer Macht anerkennen wollen. Mit welchem

Recht kann eine Regierung einer fremden Fluggesellschaft Tarife vorschreiben und einen Widerstand mit Konfiskation der Flugzeuge bedrohen? Alle geheiligten Grundsätze über freien Wettbewerb und Kampf gegen Monopole werden verletzt, weil Bürokraten, und gar die Monopolbürokratie der JATA, nicht verstehen wollen, daß man Verluste dutch Leerfahrten nicht durch Hebung, sondern nur durch Senkung der Tarife bekämpfen kann. Hätten aber die USA, statt wie so oft nachzugeben, ohne viel nach Gesetzen zu forschen, den guten alten Grundsatz der Retorsion angewendet und der Landesverweigerung und Konfiskationsdrohung Gleiches entgegengesetzt, so wäre der Angriff auf den Flugverkehr buchstäblich über Nacht zusammengebrochen. Aber ehe man sich gegenseitig die Augen auhackt, leistet man sich lieber gegenseitig Schützenhilfe — gegen die Reisenden.

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