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Keine Königsidee

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Als der ÖVP-Nationalratsklub im Dezember den Vorschlag machte, eine parlamentarische Kommission in westeuropäische Länder zu schik- ken, um die Formen der Parlamentsübertragungen in Rundfunk und Fernsehen zu studieren, hoffte man auf eine Königsidee.

In der Zwischenzeit haben aber die anderen Parlamentsfraktionen diesen Vorschlag abgelehnt. Treffendes Argument: Es ist sowieso bekannt, wie die Übertragungen anderswo gehandhabt werden, und man müsse angesichts der Budgetnot nicht Gruppenreisen arrangieren.

So wird sich die Präsialkonferenz des Hohen Hauses in den nächsten Wochen wieder mit der leidigen Frage zu befassen haben; immerhin reift in zunehmendem Maße die Einsicht der Parlamentarier, daß jede Form der Parlamentsberichterstattung besser wäre als die bisherige.

Was ist „objektiv”?

Der österreichische Rundfunk zieht sich in der letzten Zeit auf juridische Bastionęn zurück. Er argumentiert, daß ihm die Abgeordneten durch Beschluß des Rundfunkgesetzes eine Pflicht auferlegt hätten und er nicht durch die Schuld der Abgeordneten jetzt gesetzbrüchig werden könne. Denn im § 1 des Rundfunkgesetzes sind als Pflichten der Gesellschaft auf erlegt:

„Objektive Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Körperschaften und Übertragungen ihrer Verhandlungen.”

Die Auswahl der Abgeordneten, die Selektion ihrer Redemanuskripte und die zeitliche Fixierung widerspricht aber der „objektiven Berichterstattung”, die das Gesetz verlangt.

Dazu stellen auf der Gegenseite die Klubs fest, daß das Rundfunkgesetz nicht Bild- und Wortübertragungen expressis verbis verlangt, sondern die Objektivität ja auch aus der ganz normalen Nachrichtensendung hervorgehen könne. Schließlich spricht das Gesetz auch ganz allgemein von „gesetzgebenden Körperschaften”, und der Rundfunk selbst legt sich diese Verpflichtung nicht so aus, daß er jetzt auch Bildberichte vom Vorarlberger Landtag bringen müsse.

Show und Spektakel?

Was aber könnte geschehen?

ÖVP und FPÖ haben seinerzeit der sogenannten „freien Berichterstattung” durch Redakteure des Rundfunks ohne zeitliche oder personelle Beschränkung zugestimmt, wenngleich von Haus aus und auch heute noch viele „Hinterbänkler” gegen diese Form auftreten, weil sie wissen, daß sie wahrscheinlich nie oder sehr selten ins Bild kommen würden. Die SPÖ — die wissen könnte, daß jede Opposition bei freier Berichterstattung besser abschneidet als die Regierung, ist bisher dagegen. Angriff und argumentreiches Attackieren sind spektakulärer als Verteidigung und Rechtfertigung — eine freie Berichterstattung wird aber möglichst farbig und abwechslungsreich sein wollen.

Das freilich fürchten auch viele seriöse Verteidiger der bisherigen Praxis: das Parlament würde zur „Show” werden, die Massenmedien zu Transmissionsriemen der Spektakel. Man würde nicht mehr zu den Abgeordneten, sondern zu den Fernsehern reden und das allgemeine

Bild des Parlamentes würde noch mehr entwertet werden, als dies durch die jüngsten Exzesse schon geschehen ist.

Daß man freilich auch Mittelwege beschreiten kann, beweisen einige Vorschläge, die derzeit kursieren. Schon im Vorjahr machte ein Wiener Journalist einen Vorschlag der Kombination von „freier” und „gebundener” Berichterstattung, die das gesamte parlamentarische Leben umfassen sollte. Im Zentrum: auch Ausschüsse sollten beachtet werden, in

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