Keine Rede vom Ende des Westens

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Der siebente Pfingstdialog "Geist &Gegenwart" über "Europa.USA.3.0" im steirischen Schloss Seggau hatte durch die Zeitläufte beinahe tagesaktuelle Relevanz bekommen. Den Veranstaltern und Teilnehmern ging es freilich um Perspektiven jenseits aktueller Verwerfungen.

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Der siebente Pfingstdialog "Geist &Gegenwart" über "Europa.USA.3.0" im steirischen Schloss Seggau hatte durch die Zeitläufte beinahe tagesaktuelle Relevanz bekommen. Den Veranstaltern und Teilnehmern ging es freilich um Perspektiven jenseits aktueller Verwerfungen.

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Im Zweijahresrhythmus stattfindende Veranstaltungen nehmen für gewöhnlich eher grundlegende, tendenziell zeitlose Fragen in den Fokus. Dies gilt auch für den 2005 zum ersten Mal abgehaltenen Pfingstdialog "Geist &Gegenwart", der sich von Beginn an in immer neuen Anläufen und Akzentuierungen dem Projekt Europa verschrieben hat.

Kommentare zum Zeitgeschehen

Dieses Jahr aber, beim siebenten Mal, war alles anders: Anlässlich des bevorstehenden 70-Jahr-Jubiläums des Marshallplans hatten die Veranstalter -das Land Steiermark in Kooperation mit der Diözese Graz-Seckau und dem Club Alpbach Steiermark - die transatlantischen Beziehungen aufs Programm gesetzt. Zu einem Zeitpunkt freilich, als der Name Donald Trump in politischen Zusammenhängen noch kaum Thema war und von einer breiteren Öffentlichkeit allenfalls mit dem gleichnamigen Tower in New York assoziiert wurde. Dass dann aber zu Pfingsten 2017 -zumal unmittelbar nach der ersten Europareise des US-Präsidenten - das Verhältnis zwischen Europa und den USA gleichsam tagesaktuell sein würde, konnte keiner ahnen.

So waren denn auch die Vorträge, Statements, größeren und kleineren Diskussionsrunden allesamt so etwas wie Kommentare zum Zeitgeschehen. Wobei sich erkennbar als roter Faden durchzog, dass man eben nicht bei dieser Momentaufnahme stehen bleiben dürfe. Vielmehr ging es darum, Perspektiven über die aktuellen Entwicklungen hinaus -und aus den Erfahrungen der Vergangenheit heraus -aufzuzeigen. "Hören wir auf damit, über das Ende der westlichen Welt zu reden!", forderte etwa Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer vehement. Die USA seien mehr als Trump, war mehrfach zu hören, viele der Probleme gäbe es auch ohne Trump und habe es auch früher schon gegeben.

Freilich, eines wurde auch unmissverständlich deutlich: Europa ist gefordert. Pointiert formulierte es Ex-Vizekanzler Erhard Busek: Trumps Wahl sei für die Europäer ein längst fälliger "Tritt in den Hintern". Die USA würden auch künftig hinter Europa stehen, aber dieses müsse seinen Beitrag leisten, so Daniel S. Hamilton von der Johns Hopkins University in Washington. Seine zuversichtlich stimmende Botschaft: Das Projekt Europa könne ohne die USA nicht gelingen -aber es gebe auch kein "America first" ohne Europa. Dieses Europa müsse sich indes aus seiner Mitte heraus erneuern, es könne sich keine Grauzonen, kein "Zwischeneuropa" leisten. Und nochmals zugespitzt formulierte Hamilton dann: An der Ukraine entscheide sich die Zukunft Europas. Zur Veranschaulichung zeichnete er den Lebensweg einer fiktiven 100-jährigen Galizierin aus Lemberg nach, die im Laufe ihres Lebens viele Male ihre nationale Zugehörigkeit gewechselt habe, ohne je ihre Heimat zu verlassen: "Und wie wird es ihren Nachkommen gehen?", fragte Hamilton rhetorisch.

USA als "Stütze des globalen Systems"

In ein grosso modo ähnliches Horn stieß der amerikanisch-österreichische Journalist Matthew Karnitschnig, Europa-Korrespondent des US-Magazins Politico in Berlin. Bei Trump werde nichts so heiß gegessen wie gekocht, die Realität werde ihn einholen, viele der Probleme habe es auch schon früher gegeben etc. Die rhetorische Frage der österreichischen Botschafterin Eva Nowotny, ob die USA denn noch eine "Stütze des globalen Systems" seien, beantwortete er im Modus eines Postulats: Sie müssten das sein, denn ohne USA ließen sich -insbesondere in Europa -viele Probleme nicht lösen.

Ungeachtet all dessen fehlte es naturgemäß nicht an US-kritischen Tönen -wobei der Verdacht naheliegt, dass jene, von denen diese kamen, sich durch Trump in ihrem Bild von den USA, vom Westen, vom Kapitalismus etc. nur bestätigt sehen; dass für sie also Trump gewissermaßen die USA zur Kenntlichkeit entstellt hat. So meinte der evangelische Superintendent Hermann Miklas, es sei nun an der Zeit für den Westen, "vom hohen Ross herunter" zu kommen und endlich mit dem Rest der Welt einen "Dialog auf Augenhöhe" zu führen. Einspruch, bei allem Respekt, meldete da der steirische Kulturlandesrat Christopher Drexler an: Die westlichen Werte dürften nicht zur Disposition gestellt werden, die USA und Europa seien diesbezüglich "die natürlichsten Partner", es brauche mehr westliches Selbstbewusstsein. Verbindend, wie es seinem Amt entspricht, Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer: "Wir hadern nicht mit Amerika, aber wir sehen manches mit Sorge."

Hoffnungsvolle Töne besonderer Weise schlug abschließend Vatikan-Experte John Allen an. Als Gegenbewegung zu den desintegrativen Tendenzen auf politischer Ebene sieht er eine Annäherung zwischen den Kirchen in Europa und den USA. Wobei Allen bei diesen Entwicklungen -wenig überraschend -Papst Franziskus eine entscheidende Rolle beimisst.

Es wird spannend sein zu sehen, welche der Analysen und Prognosen sich beim nächsten Pfingstdialog 2019 als zukunftsweisend erwiesen haben werden. Und worüber wir dann zu reden haben.

DIESE SEITE ENTSTAND IN KOOPERATION MIT DEM CLUB ALPBACH STEIERMARK. DIE REDAKTIONELLE VERANTWORTUNG LIEGT BEI DER FURCHE.

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