6696150-1963_08_04.jpg
Digital In Arbeit

Sind die Österreicher Kerbtiere?

Werbung
Werbung
Werbung

Nach Aussage eines bedeutenden österreichischen, heute im Ausland lebenden Naturwissenschaftlers haben die Kerbtiere noch die besten Aussichten, bei einem Atomkrieg ungeschoren davonzukommen. Von allen Lebewesen verfügen sie angeblich über den wirkungsvollsten natürlichen Schutz gegen radioaktive Einwirkungen.

Zählen eigentlich auch die Österreicher zu den Kerbtieren? Diese Frage drängt sich einem auf, wenn man sieht, wie wenig ernst hierzulande im Vergleich zu anderen Staaten Fragen des Zivilschutzes genommen werden. Rekapituliert man heute, da das Wort Zivilschutz bereits seit sechs Jahren den amtlichen Sprachschatz bereichert, was an Vorkehrungen gegen ein eventuelles nukleares Feuerwerk auch nur in der Umgebung unseres Territoriums, bei uns getroffen wurde, ist man zu der Feststellung genötigt, daß Österreich über bescheidenste Ansätze noch immer nicht hinausgekommen ist. Der Österreicher hat also bei einem Atomzwischenfall noch immer nicht annähernd die gleichen Überlebenschancen wie etwa die Maikäfer!

Bescheidene Ansätze

Wenden wir uns zunächst den eben zitierten bescheidensten Ansätzen zu. Im Jahre 1957 wurden die Bundesministerien für Inneres und Landesverteidigung offiziell beauftragt, gemeinsam zu prüfen, ob der Aufbau eines Zivilluftschutzes in Österreich sinnvoll wäre. Die beiden Ministerien bejahten die Frage. Ihre Antwort stützte sich im wesentlichen auf folgende Überlegungen:

• Nur gegen einen weltweiten Atomkrieg gibt es keine Sicherheitsvorkehrungen. Daß es zu einem solchen totalen Inferno kommt, gilt aber als ziemlich unwahrscheinlich.

• Den Ausbruch eines lokalen Atomkonfliktes hingegen völlig aus der Kalkulation auszuschließen, ist unrealistisch. Auf Grund der österreichischen Neutralität besteht die Hoffnung, daß bei einer begrenzten atomaren Auseinandersetzung über unserem Staats gebiet selbst kein Atompilz aufsteigt. Der Zivilschutz kann sich daher auf Grund dieser Wahrscheinlichkeitsrechnung darauf beschränken, die Bevölkerung vor den durch Atomexplosionen in der Nachbarschaft ausgelösten radioaktiven Niederschlägen zu schützen.

• Gegen t Atomsprengköpfe, die von ihrer vorgesehenen ballistischen Bahn abweichen und direkt auf österreichischem Boden landen, bietet dieses Konzept allerdings nur wenig Schutz. Das Risiko eines Volltreffers verkleinern zu wollen, stößt aber infolge der astronomisch hohen Kosten auf un-übersteigbare Hindernisse.

Im Jahre 1955 konstituierte sich beim Innenministerium ein zentraler Planungsstab, der sich aus Fachleuten sämtlicher Ministerien rekrutierte und das oben erläuterte Grundkonzept weiter auszufeilen begann. Nach Verhandlungen mit den Landeshauptleuten wurden dem Stab auch Ländervertreter zugezogen. Im Jahre 1961 erhielt er die offizielle Sanktionierung durch den Ministerrat und wurde daraufhin in „Arbeitsausschuß für zivile Landesverteidigung“ umgetauft. Dieser auf 80 Fachleute angewachsene „brain trust“ gliederte sich fortan in 16 Arbeitsgruppen, von denen sich jede mit einem Teilgebiet des Zivilschutzes zu befassen hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung