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Eine echte europäische Identität

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Was macht ein Europa, das nicht mehr aus 15, sondern aus 30 Mitgliedstaaten besteht? Zwölf (darunter zehn Osteuropäer, siehe FuRCHE-Dossier 46/1995) scharren schon jetzt in den Startlöchern. Die Erweiterungsphase, die nach österreichischen Vorstellungen 1998 beginnen soll (Österreich setzt sich in einem vom Bundeskanzleramt und Außenministerium erstellten Bericht vehement für die Nachbarn ein), wird in einem Umfeld passieren, in dem das Finanzpaket der Union aus- (1999) und die dritte Phase der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) anläuft; das bedeutet, daß Kohäsions- und Solidaritätsfragen neu gestellt und beantwortet werden müssen, die Struktur- und Begionalpolitik der EU wird davon betroffen sein.

Die auf Seite 2 genannte EU-Be-flexionsgruppe, die Turin vorbereitet hat, spricht in ihrem 60seitigen Papier von einer „Strategie für Europa", in der, ziemlich dubios, von der Entwicklung einer europäischen Si-cherheits- und Verteidigungsgemeinschaft gesprochen wird. Die Weisen empfehlen die Entwicklung einer „europäischen Identität", etwas, dem der deutsche und der französische Außenminister, Klaus Kinkel und Herve de Charette, im Zusammenhang mit der Verteidigungspolitik sehr viel abgewinnen können. In einem gemeinsamen Appell Kinkels und de Cha-rettes betonen die beiden Außenminister: „Europa wird nicht wirklich existieren, wenn es nicht für seine Verteidigung und Sicherheit sorgen kann. Im Bahmen der atlantischen Allianz muß daher eine echte europäische Identität entstehen."

Diese Formulierung wird sicherlich viele Europäer aufbringen, zumal hier eine Festlegung des Weges der Sicherheitspolitik in Bichtung bloßer militärischer Verteidigung erfolgt, die auch eine außereuropäische Komponente haben kann. Heißt es doch bei Kinkel und de Chervette begleitend zu oben genanntem Satz: „Wir wollen ferner ein Europa, das in der Lage ist, seine Interessen wahrzunehmen, auch außerhalb seiner Grenzen." Man wird diesen Satz noch genau abklopfen und hinterfragen müssen. Wird die Europäische Union zu einer Festung, die Interes-senskriege als Fortsetzung politischer Impotenz wieder möglich erscheinen läßt? Hier haken viele „Friedensbewegte", die in jüngster Zeit, auch angesichts der Schrecklichkeiten auf dem Balkan, so still geworden sind, wieder ein und fragen schüchtern an, ob ein europäisches Sicherheitssystem nicht doch primär auf festen Friedenstrukturen und einer demokratischen Ordnung, beispielhaft für „die Welt", aufgebaut werden sollte.

Jedenfalls hält die Beflexionsgrup-pe hinsichtlich der bestehenden oder noch zu schaffenden Verteidigungsstrukturen das Becht jener Länder auf eine eigene Verteidigungspolitik fest, die nicht der NATO angehören ( wie Österreich).

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