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Das indische Gleichnis

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DIE FÜNF WELTRELIGIONEN. Brahmanlsmn. Buddhismus, Chinesischer Universismus, Christentum, Islam. Von Helmut von Glasenapp. Eugen-Dlederichs-Verla;, Düsseldorf-Köln. Einmallr Sonderausgabe. Das moderne Sachbuch, Band 15. 432 Selten. Leinen. Preis 12.80 DM

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DIE FÜNF WELTRELIGIONEN. Brahmanlsmn. Buddhismus, Chinesischer Universismus, Christentum, Islam. Von Helmut von Glasenapp. Eugen-Dlederichs-Verla;, Düsseldorf-Köln. Einmallr Sonderausgabe. Das moderne Sachbuch, Band 15. 432 Selten. Leinen. Preis 12.80 DM

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Der bekannte Religionswissen-chaftler von Tübingen bemüht sich hier, in anerkennenswerter Objektivität die genannten großen Religionen zu beschreiben, in einer auch für breitere Kreise informativen Weise. Als spezialisierter Indologe versteht er es auch, in die für Außenstehende als Wirrwar erscheinenden verschiedenen indischen Glaubensvorstellungen Ordnung und Übersicht zu bringen. Auch das Christentum, das uns als Abendländer ja besonders interessiert, beschreibt er von außen, das heißt den Eindruck, den es beziehungsweise sein Stifter erweckt, so man nicht gläubig verpflichtet ist. Christus ist danach ein Religionsstifter wie andere auch, dem später erst das messianische Bewußtsein von seiner Sendung klargeworden ist, das seine gläubigen Jünger dann noch aufgewertet und durch Degen-denbildung verklärt haben. Es mag auch für den Christen interessant und lehrreich sein, zu erfahren, wie 6eine Religion auf Außenstehende wirkt, mit welchen Schwierigkeiten er bei ihnen zu rechnen hat. Sehr interessant ist das Kapitel über „das Verhältnis der fünf Weltreligionen zueinander“, was sie nämlich untereinander an kritischen Einwänden anzuführen haben. Doch verläßt der Autor, kurz in der Einleitung, ausführlicher im Schlußteil, seinen objektiv beschreibenden Standpunkt, um eine Wertschätzung vorzunehmen, nicht in der Art, daß er einer der Religionen den Vorzug gäbe, sondern im Sinne eines Relativismus beziehungsweise Eklektizismus. Er bedient sich dabei des indischen Gleichnisses von den Blinden, wo jeder einen verschiedenen Teil eines Elefanten betastet, daher jeder eine verschiedene Vorstellung erhält, die sie dann einer gegen den andern ausspielen. Der Schluß daraus, daß nur relative Erkenntnis möglich ist, ist etwas voreilig, als ob die Blinden, bevor sie unversöhnlich streiten, nicht die Möglichkeit hätten, ihre Erfahrungen auszutauschen und so wenigstens einigermaßen zu objektivieren. ■ _____

Sicher hat Glasenapp recht, wenn er meint, es gehöre „ein hoher Grad ungerechtfertigter Überheblichkeit dazu, sich und seine Ansichten für das Maß aller Dinge zu erklären und alle, die anderer Meinung sind, für verblendete Toren zu halten“. Sicher hat er ebenso recht, daß wir uns von der „metaphysischen Wirklichkeit“ nur ein „provisorisches Bild“ machen können, da wir nach Paulus selbst nur „wie im Spiegel“ zu sehen vermögen. Doch muß das nicht in einen Relativismus führen. Es gibt die Möglichkeiten einer duldsamen Verständigung aus Gedankengängen der Toleranz, wie sie heute gepflegt werden, es lassen sich mit viel Geduld und Gründlichkeit Maßstäbe einer objektiven gemeinsamen Basis, die nicht immer groß sein muß, erarbeiten, die über all die Vieldeutigkeiten der Situationen, Zeiten, Kulturen usw. ein gewisses Maß von Eindeutigkeit gewinnen, zumindest erahnen lassen. Die Frage nach der Religion gewinnt jedoch ein grundsätzlich anderes Gesicht, wenn Gott selbst gesprochen hat; der sicher auch für die Möglichkeit der Erkenntnis seiner Offenbarung vorgesorgt haben wird, wenn er diesbezügliche Verpflichtungen daranknüpft, die natürlich nur gelten, wenn sie überhaupt und inwieweit sie erkannt werden. Wenn Gase-napp dann die Überlegungen in den Vordergrund schiebt, daß die Wahrheit sich mit „zwingender Gewalt“ jedem einzelnen offenbaren muß, wenn sie allgemein verpflichtend sein will, daß darüber hinaus „der allmächtige Gott imstande gewesen wäre, die ganze Menschheit oder auch nur die Mehrzahl derselben zur Anerkennung bestimmter selbstevidenter Lehrsätze zu veranlassen“, wenn Er gewollt hätte, so wäre einzufügen: unter Einschluß des von Ihm gewählten Weges menschlicher Mitwirkung und vor allem unter Einschluß der menschlichen Freiheit. Der Glaubensakt bleibt immer ein freier Akt, entsprechend der höchsten Freiheit Gottes und der von Gott geschaffenen ebenbildlichen Freiheit des Menschen, die von keiner „zwingenden“ Gewalt aufgehoben werden kann.

Schließlich bleibt als Letztes noch das Bild von der „alleinseligmachenden“ Kirche, wie sie heute unter dem Gedanken der Ökumene gesehen wird, wie sie bereits Le Fort in ihren „Hymnen an die Kirche“ sieht: Der gute Wille des Menschen, wie ihn die Weihnachtsbotschaft der Engel anspricht, wird sein Ziel erreichen und sein Heil wirken, wo und wie immer er sich geäußert haben mag, solange er nur guter Wille bleibt; aber eben darum, weil Gott in Christus das Zeichen der Versöhnung gesetzt hat, sonst wäre alles Streben sinnlos: „In mir (der Kirche) knien Völker, die lange dahin sind, aus meiner Seele leuchten viele Heiden, ich war heimlich in den Tempeln ihrer Götter, ich war die Sehnsucht aller Zeiten, ich war das Licht aller Zeiten, ich bin die Fülle aller Zeiten.“

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